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Ludwig Bösendorfer (1835-1919)

einer der bedeutendsten Klavierfabrikanten, Förderer der Kultur und Schwiegervater von Alexander Girardi

 

Herkunft und Jugend

Ludwig Bösendorfer

Ludwig Bösendorfer erblickte am 10. April 1835 als erstes Kind von Ignaz Bösendorfer (1796-1859) und Franziska Hartl (1815-1892) in Wien das Licht der Welt. Ludwigs Vater war „k.k. Hof-Kammer-Pianoforte-Verfertiger“ und besaß eine gutgehende Klaviermanufaktur. Ludwig hatte noch 2 jüngere Geschwister:

  • Adolf (1839-1904) 
  • Maria (1842-1919) ⚭ August Schönecker (1825-1875)

Die Familie wohnte in der Josefstadt Nr. 43 (heute Lenaugasse 7). Dort befand sich auch die Produktionsstätte des Vaters. Später übersiedelten sie in das Haus Josefstadt Nr. 226 (heute Lenaugasse 10). 

 

Ludwig absolvierte seine Ausbildung am Wiener Polytechnischen Institut (1850 bis 1852). Danach bereiste er verschiedene Länder und besuchte diverse berühmte Klavierfabriken. Nach ca. einem Jahr trat er in den väterlichen Betrieb ein. 

 

Das Unternehmen „Bösendorfer“

Ludwigs Vater hatte 1828 den Klaviermacherbetrieb von Joseph Brodmann übernommen. Die Manufaktur befand sich in der Josefstadt Nr. 43 (heute Lenaugasse 7). Ignaz Bösendorfers Instrumente waren nicht nur in ihrer Ausfertigung von höchster Qualität, sie überzeugten auch durch ihren besonders schönen Klang. Damit setzte sich Ignaz Bösendorfer rasch gegen seine Konkurrenten durch und seine Erzeugnisse waren bald weltweit berühmt. Ein besonderes Qualitätsmerkmal war, dass die Bösendorfer Klaviere selbst dem Spiel von Franz Liszt standhielten. Der Virtuose ramponierte üblicherweise seine verwendeten Instrumente bis zur Unbrauchbarkeit. Die Instrumente aus dem Hause Bösendorfer waren aber derart stabil gebaut, dass sie auch diese ungewöhnlich hohe Beanspruchung unbeschadet überstanden.

 

Ignaz Bösendorfer wurde für seine Verdienste mehrfach ausgezeichnet und vom Kaiser mit dem Titel „k.k. Hof-Kammer-Pianoforte-Verfertiger“ geehrt. Aus der ganzen Welt trafen immer mehr Aufträge für Bösendorfer-Klaviere ein. Daher ließ Ignaz Bösendorfer 1857 in Neu-Wien Nr. 377 (heute: 9, Türkenstraße 9) eine neue Klavierfabrik erbauen. Diese sollte nach neuesten industriellen Gesichtspunkten ausgestattet werden. Die Einweihung der neuen Produktionsstätte erlebte Ignaz Bösendorfer allerdings nicht mehr. Er starb am 14.4.1859 im Alter von 63 Jahren. 

Ludwig Bösendorfer

Damit übernahm Ludwig Bösendorfer mit erst 24 Jahren den Betrieb und führte das Werk seines Vaters fort. Im neuen Gebäude entstand auch ein Konzertsaal für 200 Personen. Wie sein Vater tüftelte Ludwig laufend an Verbesserungen seiner Instrumente. Bereits im Jahr der Übernahme machte er mit einer Änderung an der „Wiener Mechanik“ auf sich aufmerksam. Für diese Innovation, die eine höhere Anfangsgeschwindigkeit am Hammerkopf brachte, erhielt er auch ein Privileg. Ludwig widmete sich aber nicht nur dem Klaviermacherberuf, sondern pflegte auch die Kontakte und Freundschaften zu den Künstlern, wie zuvor schon sein Vater. 

 

Ein wichtiger Absatzmarkt für sein Unternehmen war Italien. Der dritte italienische Unabhängigkeitskrieg 1866 bedeutete für das Unternehmen Bösendorfer daher enorme Umsatzeinbußen. Ludwig hatte aber auch noch ein anderes Problem. Die Titel „k.k. Hoflieferant“ und „k.k. Hof-Kammer-Pianoforte-Verfertiger“ stellten nicht nur allerhöchste Auszeichnungen dar, sondern dienten als Gütesigel auch der Geschäftsanbahnung. Diese Titel waren allerdings nicht erblich. Damit durfte Ludwig Bösendorfer nach dem Tod seines Vaters diese Titel sowohl auf dem Firmenschild, als auch auf Briefpapier usw. nicht mehr verwenden. 1866 erhielt dann auch Ludwig Bösendorfer den Titel eines „k.k. Hoflieferanten“. Er bemühte sich natürlich auch um den Titel des „k.k. Hof-Kammer-Lieferanten“. Dieser stellte eine Steigerung des ersten Titels dar und erlaubte dem Träger beim Verrichten seiner Dienste bis in die Privatgemächer der kaiserlichen Familie vorzudringen. Eine der Voraussetzungen für die Zuerkennung eines solchen Titels war allerdings eine langjährige Geschäftsbeziehung. Diese musste sich Ludwig Bösendorfer aber erst erarbeiten.1869 war es dann endlich soweit. Er wurde gemeinsam mit den Klaviermachern Ehrbar und Streicher eingeladen, 2 Flügel für die neu gebaute k.k. Hofoper herzustellen. Der Preis pro Klavier durfte dabei max. 480 Gulden betragen. Nach erfülltem Auftrag wurden Friedrich Ehrbar und Ludwig Bösendorfer zu „k.k. Kammerlieferanten“ ernannt. Streicher besaß diesen Titel bereits vorher. 

1862 stellte Bösendorfer seinen „Patentflügel“ erfolgreich auf der Weltausstellung in London aus, wo er auch eine Auszeichnung dafür erhielt. 1867 feierte er bei der Weltausstellung in Paris mit seinen prachtvoll gestalteten Flügeln wieder einen großen Erfolg. Und natürlich war er 1873 auch bei der Weltausstellung in Wien erfolgreich vertreten. 

1870 stieg Ludwig Bösendorfer auf die Verwendung von Gussrahmen statt geschmiedeter Rahmen um. Im selben Jahr wurde der Wiener Musikverein eröffnet. Ludwig Bösendorfer spendete der Gesellschaft für ihre Konzertsäle 14 Flügel. Zum Dank wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Später trat er dann sogar in die Direktion ein.  

 

Zu dieser Zeit wurden die Konzertsäle immer größer und das Klangvolumen daher immer wichtiger. Ludwig Bösendorfer ersetzte daher die bisherigen filigranen Mechaniken durch die Verbauung von Stahlseilen. Die bisher verwendeten Holzrahmen wichen Gusseisenplatten. Für den Resonanzboden verwendete Bösendorfer besonders weiches Fichtenholz. Das gekonnte Zusammenspiel all dieser Bestandteile machte schließlich den besonderen Klang eines „Bösendorfers“ aus. Ludwig Bösendorfer galt bald als bester Klavierfabrikant Österreichs. 

Bösendorfer-Prunkflügel für Kaiserin Elisabeth

Auch für Kaiserin Elisabeth fertigte er einen speziellen Flügel an. Er belieferte aber nicht nur den österreichischen Hof in Wien und die Residenz in Bad Ischl, sondern auch den russischen Zaren und den japanischen Kaiserhof. Weitere Persönlichkeiten, die zu Bösendorfers Kunden zählten, waren z.B. auch die Fürstin Pauline Metternich, Katharina Schratt und einige Angehörigen der Habsburgerfamilie, wie Erzherzog Eugen oder die Erzherzoginnen Stephanie und Valerie. Kaiserin Elisabeth schenkte Kaiserin Eugenie von Frankreich einen Bösendorfer-Flügel, der von Theophil Hansen entworfen wurde. Zum Dank für den wunderschönen Flügel erhielt Ludwig Bösendorfer von Kaiserin Elisabeth eine kostbare Tabatiere zum Geschenk.

 

1871 bezog Ludwig Bösendorfer eine größere Produktionsstätte und verlegte den Verkauf in das damalige Palais Liechtenstein in der Herrengasse, wo er auch zur Miete wohnte. Die ehemalige Reitschule ließ er in einen Konzertsaal umbauen. Der Saal war für seine hervorragende Akustik bekannt. Diese verdankte er Hohlräumen, die unter dem Parkett lagen. Unter dem Saal befanden sich die ehemaligen Pferdestallungen, die jetzt zu perfekten Resonanzkörpern wurden. Als der Saal fertiggestellt war, ließ Ludwig Bösendorfer die Stirnwand aber zweimal niederreißen und versetzen. Erst dann war er mit dem Raumklang zufrieden. Er meinte dazu: „Ich habe den Saal gestimmt wie eine Geige.“ Am 19.11.1872 wurde der „Bösendorfer-Saal“ mit einem Konzert eingeweiht, dass Hans von Bülow, der Schwiegersohn von Franz Liszt, dirigierte. Mit einem Schlag wurde dieser Saal mit einem Fassungsvermögen von 588 Sitzplätzen zur ersten Musikadresse Wiens. Hier traten alle großen Stars der Jahrhundertwende auf: Johannes Brahms, Wilhelm Backhaus, Julius Epstein, Fritz Kreisler, Franz Liszt, Gustav Mahler, Felix Mottl, Anton Rubinstein, Richard Strauss, Richard Wagner, Felix von Weingartner, Hugo Wolf und Arnold Schönberg. Während des Bestehens des „Bösendorfer-Saals“ wurden dort ca. 4.500 Konzerte gegeben. 

Ab 1878 stellte Bösendorfer Klaviere mit "englischer Mechanik" her. 

 

Im Jahr 1883 wurde ein Jubiläum gefeiert. Der 10.000te „Bösendorfer“ wurde fertiggestellt. „Die Bombe“ zeigte aus diesem Anlass Ludwig Bösendorfer als liebende Mutter, die ihr Baby – in diesem Fall ein Klavier, liebevoll im Arm hält. Dieses Bild scheint sehr treffend zu sein, ging der kinderlose Ludwig Bösendorfer doch voll und ganz in seinem Unternehmen auf. Jedes Klavier betrachtete er als sein Kind. Zur Feier wurde der aus einem weißen Ahornkasten gefertigte Jubiläumsflügel ausgestellt, genauso wie ein Geschenk der Kaiserin Elisabeth. Es war dies eine goldenen Tabatiere, die mit Diamanten und Brillanten besetzt war.  

Ergebenheitsadresse für Ludwig Bösendorfer

Ebenso präsentierte man eine kunstvoll gestaltete „Ergebenheitsadresse“. Diese hatte Ludwig Bösendorfer zum Jubiläum von seiner Belegschaft erhalten. Es handelte sich dabei um einen öffentlichen Brief, der die Verbundenheit der Arbeiter mit ihrem  Arbeitgeber signalisieren sollte. Darauf waren auf der oberen Seite die Bilder von Liszt, Rubinstein und Bülow zu sehen. Auf der linken Seite waren die Büsten von Ignaz und Ludwig Bösendorfer abgebildet und natürlich auch der Jubiläumsflügel. 

 

Auf Anregung des Komponisten Ferruccio Busoni baute Bösendorfer 1892 einen Konzertflügel mit vollen acht Oktaven Tonumfang und einer Länge von 2.90m. Dieser „Riesenflügel“ erhielt den Namen „Imperial“ und veranlasste einige Komponisten Stücke zu komponieren, die nur auf diesem Flügel aufgeführt werden können. Sowohl der Kaiser, als auch die Kronprinzessin Stefanie kamen um die neueste Kreation Bösendorfers zu besichtigen. Dabei durfte Ludwig Bösendorfer selbst den hohen Herrschaften vorspielen. 

1895 verlieh ihm Kaiser Franz Josef in Anerkennung seiner Verdienste und sein humanitäres Wirken den „Orden der eisernen Krone" dritter Klasse. Die Taxe dafür wurde ihm erlassen.  Diese Auszeichnung sicherte ihm gleichzeitig die Anwartschaft für den Adelsstand. 

Hausordnung in der Bösendorfer-Klavierfabrik

In den Räumlichkeiten der Bösendorfer-Produktionsstätte hing eine Hausordnung. Sie ist ein Spiegelbild des einfachen und stets korrekten Unternehmers Ludwig Bösendorfer: 

„Da die detaillierteste und längste Hausordnung immer unvollständig sein wird, beschränke ich mich auf Folgendes: 

1. Ich beanspruche von meinen Mitarbeitern möglichst gute Arbeit und Anständigkeit.

2. Dagegen haben meine Mitarbeiter selbstverständlich das Recht, von mir ebenfalls Anständigkeit und möglichst hohe Bezahlung zu beanspruchen.

Ich setze voraus, dass meine Mitarbeiter unter sich in freundschaftlicher Weise die Ordnung beeinflussen werden, um ein erfolgreiches Arbeiten zu ermöglichen. Übrigens unterstehen wir alle den behördlichen und genossenschaftlichen Vorschriften.“

 

Ludwig Bösendorfer verdiente mit seinem Unternehmen gut. Er engagierte sich aber auch wohltätig und spendete jungen Künstlern oder Organisationen schon mal einen Flügel. Er unterstützte aber auch zahlreiche namhafte Künstler. Anton Bruckner und Johann Strauss bekamen regelmäßig Sonderkonditionen beim Klavierkauf. 

 

Da Ludwig Bösendorfer keine Nachkommen hatte, suchte er einen Käufer für seine Klavierfabrik. Der neue Besitzer des Unternehmens wurde im März 1909 schließlich Carl Hutterstrasser. Er war Bankier und ein alter Freund Bösendorfers. Ludwig Bösendorfer behielt allerdings den Saal in der Herrengasse. 1913 musste der Saal geschlossen werden, da das Grundstück verkauft wurde. Am 2.5.1913 fand dort das letzte Konzert im "Bösendorfer-Saal" statt. Stefan Zweig schrieb über die Stimmung nachdem die letzten Takte Musik verklungen waren: „Als die letzten Takte Beethovens verklangen, vom Roséquartett herrlicher als jemals gespielt, verließ keiner seinen Platz. Wir lärmten und applaudierten, einige Frauen schluchzten vor Erregung, niemand wollte es wahrhaben, dass es ein Abschied war. Man verlöschte im Saal die Lichter, um uns zu verjagen. Keiner von den vier- oder fünfhundert der Fanatiker wich von seinem Platz. Eine halbe Stunde, eine Stunde blieben wir, als ob wir es erzwingen könnten durch unsere Gegenwart, dass der alte geheiligte Raum gerettet würde.“ Der passive Widerstand nützte jedoch nichts, das Palais wurde gnadenlos niedergerissen. Für Ludwig Bösendorfer bedeutete dies einen schweren Verlust.  

Der Platz blieb dann lange unverbaut. Erst 1931 errichtete man dort das erste Hochhaus Wiens.  

 

Carl Hutterstrasser führte das Unternehmen „Bösendorfer“ weiter. Nach Abbruch des Hauses in der Herrengasse übersiedelte er die Verkaufsräume in die Bösendorferstraße 12, wo sie sich noch heute befinden.  1931 wurde die Klavierfabrik in eine Offene Handelsgesellschaft umgewandelt und Alexander und Wolfgang Hutterstrasser stiegen in das Geschäft ein. Nach dem Tod Carls 1942 führten sie es gemeinsam weiter. 

 

Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Firma stiftete das Unternehmen „Bösendorfer 1953 einen goldenen Ring als Auszeichnung für den bedeutendsten Pianisten. Erster Träger des "Bösendorfer-Rings" wurde Wilhelm Backhaus. Der Ring wird nach dem Tode des Trägers an einen vorher von ihm ausgewählten würdigen Nachfolger weitergegeben. 

 

Da wieder kein geeigneter Nachfolger für die Klavierfabrik vorhanden war, kam es 1966 zur Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und zum Verkauf an die US-amerikanische Firma Kimball International in Jasper (Indiana).  1973 wurde eine zusätzliche neuen Produktionsstätte in Wiener Neustadt eröffnet. Ende 2001 verkaufte Kimball die Klaviermanufaktur an die BAWAG-PSK-Gruppe. Bereits im Januar 2008 kaufte dann der japanische Konzern Yamaha das Unternehmen. Es wurde bis heute als eigenständige, österreichische GmbH weitergeführt. Alle Bösendorfer Instrumente werden aber weiterhin in Wiener Neustadt gefertigt.  Bösendorfer fokussiert sich damit nach alter Tradition auf die exklusive Fertigung von knapp 300 Instrumenten pro Jahr. Diese werden in akribischer Handarbeit ausschließlich in Österreich gefertigt.

 

Letztens kam ein vergoldeter „Bösendorfer“ in die Schlagzeilen, als er im neu renovierten Parlament aufgestellt wurde. Die Gemüter erhitzten sich an der Miethöhe von Euro 3.000/Monat. Schließlich verlängerte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka den Mietvertrag nicht mehr. Anstatt des Prunkstückes soll jetzt ein schlichtes Klavier angekauft werden.

 

Familie und Privates

Ludwig Bösendorfer

Nach dem Tod seines Vaters wohnte Ludwig Bösendorfer mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in der Türkenstraße 9. 

 

Im November 1862 heiratete Ludwig die 24jährige Schauspielerin und Opernsängerin Cölestine Aicher von Poßbach (1838-1882). Sie war die Tochter des adeligen k.k. Polizei-Oberkommisärs Johann Aichner v. Poßbach. Dieser starb, als Cölestine 1 Jahr alt war. Da die Mutter schwer arbeiten musste um für den Lebensunterhalt zu sorgen, verbrachte Cölestine den Großteil der Zeit in einem Kinderheim. Nach einiger Zeit entschloss sich Baron Ernst v. Feuchtersleben, ein entfernter Verwandter der Familie, Cölestine an Kindesstatt anzunehmen. Die Baronin war allerdings hart und roh gegenüber der kleinen Cölestine.  Deshalb nahm das kleine Mädchen eines Tages Reiß aus. Die Polizei brachte sie dann zu ihrer leiblichen Mutter zurück. Dort blieb dann auch. Ihr ganzes Streben galt ihrer Ausbildung und der Liebe zur Musik. Ihre Ausbildung am Wiener Konservatorium finanzierte sie mit Gesangsstunden, die sie in ganz Wien gab. Oft reichte das Geld nicht fürs Essen. Aber Cölestine hielt an ihrem Plan, Opernsängerin zu werden, fest. Ein schwerer Schlag für sie war es, als sie ihre Gesangsstimme verlor. Aber sie fing sich rasch wieder und ging zum Schauspiel über. Sie spielte im mährischen Proßnitz und später in Steyr. Anfang 1861 trat sie im Bösendorfer Saal in Wien auf. Möglicherweise haben sich Ludwig und Cölestine dabei näher kennengelernt. Die Hochzeitsreise verbrachten die Jungvermählten in der Steiermark. Nach der Heirat gab Cölestine ihren Beruf auf und widmete sich nur mehr dem Haushalt, ihrem Mann und der Förderung junger Talente. Sie betätigte sich auch als Wohltäterin der Armen, Bedürftigen und vor allem der Kinder. Sie half wo sie nur konnte, um das Elend der Bedürftigen zu mildern.  Zum Leidwesen des Paares blieb die Ehe kinderlos. Cölestine teilte aber die Liebe zu Pferden mit ihrem Mann. Eine Zeitlang galt sie in Wien als kühnste und beste Reiterin. Diese Leidenschaft musste sie wegen ihres Herzleidens später aber aufgeben. Vergeblich kämpfte sie gegen ihre Krankheit an. Am 12. Oktober 1882 verlor sie im Alter von nur 44 Jahren ihr Leben. 

 

Die Einsegnung der Toten fand in den späten Abendstunden in der Michaelerkirche statt. Unzählige Trauergäste, darunter auch viele Künstler, Unternehmer, Vertreter des Wiener Hofes, Freunde und Menschen, die voller Dankbarkeit der Verblichenen gedachten, kamen zur Verabschiedung. Sie brachten Unmengen von Blumen mit. Nach der Trauerfeier wurde der Sarg auf einen 6spännigen Galaleichenwagen, der von Dienern der “Entreprise de pompes funebres“ flankiert wurde, gehoben. Sie trugen schwarze spanische Tracht und trugen Fackeln in den Händen. So wurde die Leiche auf den Zentralfriedhof gebracht und dort im engsten Kreis in die Familiengruft gesenkt. (17B/G1/10).

 

Am 9. April 1892 starb Ludwigs 77jährige Mutter Franziska Bösendorfer an Altersschwäche. Die feierliche Einsegnung der Leiche fand in der Votivkirche statt. Auf Wunsch der Familie fand die Leichenfeier in aller Stille statt. Der Leichnam wurde am Wiener Zentralfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Die Gruft befindet sich in der Gruppe 41A /G1/13. Kurze Zeit später ließ Ludwig die sterblichen Überreste seines Vaters Ignaz Bösendorfer und seines Schwagers August Schönecker am Schmelzer Friedhof exhumieren und im neuen Familiengrab am Zentralfriedhof beisetzen. 

 

Am 18.12.1893 heiratete Ludwig zum zweiten Mal. Seine Braut war die 55jährige Witwe Henriette Latinovich de Borsód, geborene Toth de Becsö (1831-1906). Ihr Ehemann war im August 1882 verstorben. Henriette hatte 3 Kinder aus 1. Ehe:

  • 1. Karl Latinovich de Borsód (1861-1896) ⚭ Baronin Olga Bothmer
  • 2. Kalmán Latinovich (*1863)
  • 3. Leona Latinovich de Borsód (1867-1918) ⚭ Alexander Girardi (1850-1918) 
Ludwig Bösendorfer

Henriette Bösendorfer war eine schlichte, einfache Frau, die die Öffentlichkeit scheute. Sie ging voll und ganz in ihrem Haushalt und der Fürsorge für ihre Kinder und ihren Ehemann auf. Sie bemühte sich das eigene Heim so behaglich wie möglich zu gestalten.

 

Ludwig Bösendorfer war trotz seines enormen wirtschaftlichen Erfolges ein eher zurückgezogener, bescheidener Mensch geblieben. Er trug meist auffallende Zylinder und Gehröcke und wurde in der Öffentlichkeit sofort erkannt. Dabei erwiderte er freundlich jeden Gruß. Auf die Ausstattung seiner Privatwohnung legte er keinen allzu großen Wert. Er verbrachte die meiste Zeit in seiner Fabrik und seinem Konzertsaal. Außerdem war er ein begeisterter Pferdebesitzer. In Ausübung seines Hobbies konnte man ihn auch regelmäßig im Prater und am Pferderennplatz antreffen.  

Parte Karl Latinovich de Borsód

Henriettes Sohn Karl Latinovich hatte im September 1888 die ungarische Baronin Olga Bothmer geheiratet. Die Hochzeit fand in Bana in Ungarn statt. Ludwig Bösendorfer fungierte als Trauzeuge. Karl wohnte mit seiner Frau und seinen beiden Kindern dann in Budapest.  Er diente zuerst in der k.k. Armee und wechselte dann zu den „Honvéd-Huszáren“, wo er Oberleutnant wurde. Am 23.11.1896 starb er plötzlich und unerwartet im Alter von 34 Jahren. Zeitungsmeldungen zufolge soll er sich mit Strychnin vergiftet haben. Später wurde berichtet, dass Karl jahrelang morphiumsüchtig gewesen sei. An seinem Todestag besuchte er gemeinsam mit seiner Gattin eine Theatervorstellung. Angeblich plagte ihn ein heftiger Husten. Um eine ungestörte Nachtruhe zu haben, nahm er vor dem Zubettgehen eine Dosis Morphium. Aus dem folgenden Schlaf erwachte er nicht mehr. Laut Arzt war die Todesursache ein Herzschlag. 

 

Henriettes zweiter Sohn Kalmán lebte in Amerika. 

Leonie Latinovics

Henriettes Tochter Leonie wohnte vorerst noch bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater Ludwig Bösendorfer in der Herrengasse. Nach einem Theaterbesuch mit den beiden, kehrten sie im „Weingartl“ ein. Dort verkehrten Künstler, Schauspieler und alles was Rang und Namen hatte. Auch Alexander Girardi (1850-1918) kam nach der Vorstellung in dieses Lokal. Ludwig Bösendorfer bat ihn an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Zum Abschied gab es dann eine Einladung zur Jause in die Herrengasse. Bald mehrten sich die Besuche Girardis bei den Bösendorfers und im Oktober 1898 wurde schließlich in Bad Ischl Hochzeit gefeiert.  Aus dieser Ehe entstammte ein Sohn - Anton (Toni) Maria Girardi (1899-1961). Dieser war zuerst auch Schauspieler, wurde dann aber freier Schriftsteller und lebte in Hamburg. Leonie beherrschte mehrere Sprachen und war sehr musikalisch. Sie war aber auch eine starke Raucherin, was damals bei einer Dame als sehr unschicklich galt. Stets begleitete sie ihren Ehemann auf all seinen Gastspielreisen. 

 

Am 11.8.1904 starb Ludwigs Bruder Adolf Bösendorfer im Alter von 65 Jahren in Mainz.  

 

Ca. 1905 erlitt Henriette Bösendorfer einen schweren Schlaganfall. Von da an war sie an den Rollstuhl gefesselt. Ludwig Bösendorfer und auch seine Stieftochter Leonie kümmerten sich liebevoll um die kranke Frau. Es folgten aber weitere Schlaganfälle und schließlich verlor Ludwig Bösendorfer am 2.6.1906 auch seine zweite Frau an den Tod. Sie hatte noch zu Lebzeiten bestimmt, dass ihre Leiche in Gotha kremiert werden soll und erst nach der Leichenfeier Parten versendet werden dürfen. Die Verabschiedungsfeier fand im kleinsten Kreis in Gotha statt. Anschließend wurde die Urne in der Familiengruft am Zentralfriedhof (17B/G1/10) bestattet. 

 

Am 21. April 1916 starb Ludwigs Schwester Maria Schönecker. Ludwig ließ sie im Grab seiner Eltern am Zentralfriedhof bestatten. 

 

Ludwig  Bösendorfer überlebte aber auch noch seine Stieftochter Leonie und deren Ehemann Alexander Girardi. Leonie Girardi litt lange an einer Herzmuskelentartung. Die Krankheit schwächte sie dermaßen, dass sie im kaufmännischen Sanatorium behandelt werden musste. Während dieser Zeit erkrankte ihr Ehemann plötzlich und wurde ins Sanatorium Löw gebracht. Zuerst wollte man Leonie die schlimme Nachricht verschweigen. Als sie doch davon erfuhr, ließ sie sich sofort in das Krankenhaus bringen, in dem ihr Mann lag. Sie fand ihn dort allerdings nicht mehr vor. Er war bereits am 20.4.1918 verstorben. Leonie ließ sich nach Hause bringen, wo sie sich erholen sollte. Wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes verbot ihr der Arzt die Teilnahme am Begräbnis ihres Mannes.  4 Wochen später, am 20.5.1918, starb auch sie. In ihrem Testament bat sie von Blumenspenden und einer Parte abzusehen. Ihre Leiche wurde nach der Einsegnung in der evangelischen Pfarrkirche in der Dorotheergasse, ihrem letzten Wunsch gemäß nach Zittau/Sachsen zur Einäscherung gebracht. Die Urne wurde dann im Ehrengrab ihres Gatten am Zentralfriedhof (33E/9/15-16) bestattet. Für den damals noch minderjährigen Sohn wurde ein gerichtlicher Vormund bestellt.

 

Pension, Tod und letzte Ruhestätte

Ludwig Bösendorfer

Ludwig Bösendorfer zog sich am 1. März 1909 nach 50 Jahren aus dem Geschäft zurück und trat seinen Ruhestand an. Da er keine Nachkommen hatte, übergab er die Firma seinem Freund Carl Hutterstrasser. Die neu gewonnene freie Zeit konnte Ludwig Bösendorfer aber nicht so richtig genießen. Er kam von seiner „Geliebten“, wie er sein Unternehmen nannte, nie richtig los. Er verbrachte viel Zeit in Bad Ischl, von wo er unzählige Briefe mit guten Ratschlägen an seinen Nachfolger schrieb.  

 

Die Schließung seines „Bösendorfer-Saales“ und die Schleifung des Hauses setzte dem alternden Herrn sehr zu. Er übersiedelte in sein neues Heim am Kohlmarkt 11. Immer mehr zog er sich in die Einsamkeit zurück und verließ nur mehr selten seine Wohnung. Betreut wurde er von einer Wirtschafterin. Nur mit einigen Herren aus der Gesellschaft der Musikfreunde hielt er noch Kontakt.

 

1914 verfasste er sein Testament, in dem er die „Ludwig-Bösendorfer-Stiftung der k. u. k. Gesellschaft der Musikfreunde in Wien“ als Erben einsetzte. Dass Ludwig Bösendorfer auch sehr bestimmend sein konnte, zeigte sich in einem Passus, in dem er 4 Personen nannte, die ihm verhasst waren. Sie mussten von der Leitung der Gesellschaft der Musikfreunde ausgeschlossen bleiben, andernfalls würde das Erbe der Gesellschaft verlorengehen. Seine Arbeiter, zahlreiche Künstler und Institutionen hingegen bedachte er mit großzügigen Legaten. 

 

Weiters traf Ludwig Bösendorfer umfangreiche Anordnungen für sein Ableben. Er ordnete an, dass alle Vorsichtsmaßnahmen gegen Scheintod anzuwenden seien, insbesondere ein Herzstich vorgenommen werden soll. Weiters sollte sein Leichnam seziert werden und dann in Hauskleidung in einen einfachen Holzsarg gebettet werden. Auf einem Klavierwagen, vorzugsweise von seinem Kutscher Neptersill und nach Möglichkeit mit den eigenen Pferden sollte der Tote auf den Zentralfriedhof geführt werden. Er lehnte eine Waschung, eine Aufbahrung, Hauseinsegnung, Blumen und Kränze, sowie Grabreden kategorisch ab. Stattdessen sollte das Begräbnis auf die schlichteste kirchliche Form reduziert werden. Auf dem vorhandenen Grabstein, sollte lediglich sein Name und das Todesjahr hinzugefügt werden. Sein Tod sollte bis nach der Beisetzung geheim gehalten werden und keinerlei Parten ausgegeben werden. 

 

1916 erlitt der ohnehin schon verbitterte Ludwig Bösendorfer einen neuerlichen Stoß. Man entzog ihm seine geliebten Pferde für den Kriegseinsatz. Daraufhin meinte er:“ Jetzt habe ich kein Klavier, keine Frau, keine Pferde, keine Kinder, keine Geschwister, also wozu noch leben unter Narren und Verbrechern?“

Grab Ludwig Bösendorfer am Wr. Zentralfriedhof

Er starb schließlich am 9. Mai 1919 im Schlaf an den Folgen einer Arterienverkalkung. Seinem Wunsch gemäß wurde er des Nachts auf einem seiner Klavierwägen auf den Zentralfriedhof gebracht. Die Beisetzung erfolgte Ludwig Bösendorfers Verfügung gemäß in aller Stille. Seinem Wunsch entsprechend nahm der Vizepräsident der Gesellschaft der Musikfreunde statt. Aber auch Karl Hutterstrasser ließ es sich nicht nehmen, Ludwig auf seinem letzten Weg zu begleiten. 

 

Bösendorfers Familiengrab, in dem bereits Ludwigs beide Ehefrauen ruhten, wurde ehrenhalber gewidmet. Streng genommen entsprach diese Widmung wohl nicht seiner letztwilligen Verfügung. Die Gruft befindet sich in der Nähe von Tor 2 in der Gruppe 17B/1/10.  

 

 

Noch im selben Jahr wurde die Straße vor dem Musikvereinsgebäude im 1. Wr. Gemeindebezirk nach Ludwig Bösendorfer benannt


Bildquellen:

  • Ludwig Bösendorfer: Adele Perlmutter (Atelier Adèle) (Fotoatelier), Ludwig Bösendorfer (1835 - 1919), Klavierfabrikant, 1877, Wien Museum Inv.-Nr. 220584, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/19513/)
  • Ludwig Bösendorfer: Wiener Salonblatt v. 6.11.1870, Seite 3: Anno ONB
  • Patentflügel: Wikimedia
  • Karikatur: Kikeriki v. 13. April 1873, Seite 3: Anno ONB
  • Klavier v. Kaiserin Elisabeth: Wikimedia
  • Portal des "Bösendorfer-Saals": Marie Arnsburg (Zeichnerin), Brüder Kohn KG (B. K. W. I.) (Hersteller), Wien. - Bösendorfer-Portal., um 1910, Wien Museum Inv.-Nr. 203160, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/37519/)
  • "Bösendorfer-Saal":  ONB digital
  • Portal des "Bösendorfer-Saals": ONB digital 
  • Bösendorfer als Mutter: "Die Bombe" v. 29. April 1883, Seite 1: Anno ONB
  • Ergebenheitsadresse: ONB digital
  • Bösendorfer mit Kaiser: ONB digital
  • Stefanie im Bösendorfer-Saal: Wiener Montags-Post v. 27.11.1911, Seite 3: Anno ONB
  • Inserat: Österreichische Musik- und Theaterzeitung 1892, Heft 14, Seite 3: Anno ONB
  • Inserat: Wiener Montags-Post v. 15. Mai 1905, Seite 6: Anno ONB
  • Hausordnung: "Luft-Tagebuch"
  • Gedenktafeln in der Herrengasse 6: © Karin Kiradi
  • "Bösendorfer" im Parlament: © Karin Kiradi
  • Ludwig Bösendorfer: Wikipedia
  • Ludwig Bösendorfer: Wikipedia
  • Parte Karl Latinovich: Geni
  • Leonie Girardi (Latinocs): "Wiener Bilder" v. 26.5.1918, Seite 9: Anno ONB
  • Karikatur: Wien Museum Online 
  • Karikatur: Theatermuseum
  • Karikatur: Der Floh, v. 9. April 1905, Seite 8: Anno ONB
  • Ludwig Bösendorfer: Wienbibliothek im Rathaus, Tagblattarchiv: Fotosammlung, TF-001083, CC BY-NC-ND 4.0
  • Grab Ludwig Bösendorfers: © Karin Kiradi

Quellen:

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Kommentare: 1
  • #1

    Romi Brandel (Montag, 07 August 2023 08:00)

    Wie immer vielen Dank für diese wundervollen, interessanten Geschichten.
    Liebe Grüsse Romi Brandel