Ferdinand Keibl war ein Wagenfabrikant und stellte in Wien Autokarosserien für Luxusautos her.
Familie
Ferdinand Keibl wurde am 24.10.1863 in Unterretzbach in Niederösterreich geboren. Seine Eltern waren Vincenz und Katharina Keibl. Zur Familie gehörten noch 2 Schwestern von Ferdinand:
- Maria Keibl ⚭ Viktor Wenner (1858-1929) - u.a. Stadtingenieur in Zürich
-
Lina ⚭ Johann Zoigner – Realitätenbesitzer, Landwirt und
Bürgermeister in Unterretzbach
Lina und Johann hatten mindestens 2 Söhne. Viktor fiel als Kadett am 30.8.1915 an der russischen Front. Erich stieg später in das Unternehmen "Ferdinand Keibl" ein und löste seinen Vater in der Geschäftsleitung ab.
Das Unternehmen "Ferdinand Keibl"
Ferdinand Keibl ging nach Wien und übernahm ca. 1890 eine Sattlerwerkstätte. Das Unternehmen war 1856 von Josef Treu gegründet worden. Die nunmehrige Firma „Ferdinand Keibl, Josef Treu’s Nachfolger“ befand sich im 3. Bezirk, in der Hauptstraße 128 (heute „Landstraßer Hauptstraße 128). Hier wurden Kutschen gebaut und verkauft. Kundschaft war vorwiegend der niedere Adel und das reiche Bürgertum. Der hohe Adel kaufte meist nur bei k.k. Hoflieferanten ein. Der Betrieb „Ferdinand Keibl“ erhielt diese Auszeichnung nie. Aber gerade diesem Umstand verdankte Keibl die Zusammenarbeit mit Rolls-Royce. Denn Rolls-Royce blieb ebenfalls die Ehre eines Hoflieferanten verwehrt. Sie waren keine Lieferanten des englischen Königshauses. Anlässlich einer Weltausstellung in Paris beauftragte Rolls-Royce die kleine Wiener Karosseriefabrik im 3. Bezirk mit der Herstellung von Karosserien auf Rolls-Royce Motoren.Ho
Um die Jahrhundertwende wurde die Konzession um Wagen- und Karosseriefabrikation und das Betreiben von Lohnfuhrwerken erweitert. Es wurden immer weniger Kutschen gebaut und in der modernisierten Wagenbauwerkstätte stellte man nun Autokarosserien her. Das Werk Keibl hat u.a. für folgende Automarken Karosserien gefertigt: Steyr, Gräf & Stift, Austro-Daimler, Lancia, Mercedes-Benz und Peugeot. Das Unternehmen gehörte zu einem der besten Wagenfabrikanten Wiens. Die Fabrik wurde mit der goldenen Medaille und dem Ehrendiplom ausgezeichnet. Die Modelle waren von höchster Eleganz und solider Ausführung. Ferdinand Keibl hielt in seinem Lager stets eine große Anzahl von Luxus- und Gebrauchtwagen bereit. In einem eigenen Katalog unter dem Motto „Kleider machen Leute – Karosserien Autos“, wurden die Produkte der Firma angepriesen. Da gab es vom Zweisitzer über elegante Luxus-Limousinen bis hin zu Hotelomnibussen und Krankenwagen, alles was man sich vorstellen kann.
Der Wiener Wagenbau spielte auf dem Weltmarkt zur damaligen Zeit eine bedeutende Rolle. Man exportierte innerhalb Europas, aber auch nach Russland und in die Balkanstaaten. Wiener Karosserien waren aufgrund ihrer Gediegenheit und der geschmackvollen und praktischen Ausstattung sehr beliebt. Viele Modelle dienten aber auch ausländischen Herstellern als Muster. Auch die Karosseriefabrik Ferdinand Keibl genoss einen über die Grenzen des Landes hinausreichenden, ausgezeichneten Ruf. Sie war eine der meistbeschäftigsten Betriebe ihrer Branche.
Nach dem plötzlichen Tod von Ferdinand Keibl 1912 erbten seine beiden Schwestern zu gleichen Teilen das Unternehmen. Sie führten das Unternehmen weiter und wandelten es in „Ferdinand Keibl GmbH“ um. Als Geschäftsführer fungierten Ferdinands Schwager Victor Wenner und Johann Zoigner. Von 1914 bis 1920 war Wilhelm Horak geschäftsführender Direktor des Unternehmens. Er machte sich danach mit einer eigenen Auto-Karosseriewerkstatt selbständig. 1924 wurde die „Ferdinand Keibl GmbH“ in eine Kommanditgesellschaft geändert. Erich Zoigner löste seinen Vater in der Geschäftsleitung ab.
1933 war die „Ferdinand Keibl KG“ nur mehr die einzige Karosseriefabrik in Wien. Ihre Haupteinnahmequelle waren mittlerweile Reparaturarbeiten. Schließlich musste sogar ein Ausgleichsverfahren angemeldet werden. Die Firma überlebte aber diese schwierige Zeit. Wie lange sie tatsächlich existierte, ließ sich nicht eindeutig feststellen.
An der Adresse Landstraßer Hauptstraße 128 ist heute die KFZ-Werkstatt „KFZ Lederer“ ansässig. Auf ihrer Homepage wirbt sie auch mit dem Entstehungsjahr 1856 und dass es sich um ein Familienunternehmen in 3. Generation handelt. Ob es sich dabei um Nachkommen der Familie Keibl handelt, konnte ich leider (noch) nicht eruieren.
Tod und letzte Ruhestätte
Ferdinand Keibl blieb Zeit seines Lebens ledig und kinderlos.
Er starb am 30. März 1912 in seiner Wohnung, die sich wie sein Unternehmen, in der Landstraßer Hauptstraße 128 befand. Ferdinand Keibl wurde nur 48 Jahre alt. Todesursache war die Folge eines Herzfehlers. Der Leichnam wurde am Zentralfriedhof Gruppe 71 B, Grab Nr. 63 zur letzten Ruhe gebettet. Das Grab liegt ungefähr auf halbem Weg zwischen Tor2 und Tor 11.
Den Grabstein ziert eine weibliche Trauerfigur, die eine Urne umschlungen hält. Sie steht wohl für die trauernden Schwestern.
Das Grabnutzungsrecht ist leider schon Ende 2020 abgelaufen. Auch wenn am Grabstein steht „Unvergesslich“ ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis dieses Grab nicht mehr an den Schöpfer vieler wunderbarer Autokarosserien erinnern wird. Dieser Beitrag soll daher auch dazu beitragen, dass Ferdinand Keibl und seinem Werk ein Denkmal gesetzt wird und er nicht ganz in Vergessenheit gerät.
Bildquellen:
- Geburtseintrag: Matricula Online
- Wagen und Firmenmarkenzeichen: jacques-leretrait.blogspot
- Firmenzeichen: Digitale Wienbibliothek
- Firmeninserat: Digitale Wienbibliothek
- Gräf & Stift SP8 Limousine: Pinterest
- Briefkopf: Kulturpool
- Werkstatt Keibl: Autopuzzle
- Inserat 1899: Illustrirte Sport Zeitung v. 12. März 1899, Seite 11: Anno ONB
- Inserat: Österreichischer/Europa Motor 1927, Heft 9, Seite 27: Anno ONB
- Inserat: Neue Freie Presse v. 13. März 1938, Seite 21: Anno ONB
- Inserat: Neue Freie Presse v. 31. März 1912, Seite 28: Anno ONB
- Viktor Zoigner: Das interessante Blatt v. 10. August 1916, Seite 8: Anno ONB
- Sterbeeintrag: Matricula Online
- Grabstein: © Karin Kiradi
- Parte: Neue Freie Presse v. 31. März 1912, Seite 28: Anno ONB
- Danksagung: Neues Wiener Tagblatt v. 5. April 1912, Seite 28: Anno ONB
- Mercedes Nürburg und Lancia Astoria: Dorotheum
- Messestand der Karosseriefabrik 1925: "Die Stunde" v. 11.9.1925, Seite 12: Anno ONB
- Modelle 1927: Allgemeine Automobil-Zeitung v. 1. Juli 1927, Seite 19-21: Anno ONB
- Merecedes-Kabriolet 1929: Österreichischer/Europa Motor 1929, Heft 6, Seite 11: Anno ONB
- Dorotheum
Quellen:
- Karosseriehersteller - Wikipedia
- Oldtimerapp
- Ennstal-Classik: Pioniere der Automobilgeschichte
- Fahrzeugindustrie
- Illustrirte Sport Zeitung v. 12. März 1899, Seite 17: Anno ONB
- Fremden-Blatt v. 9. November 1913, Seite 51: Anno ONB
- Österreichische Fahrrad- und Automobil-Zeitung v. 25. 10.1914, Seite 8: Anno ONB
- Wiener Zeitung v. 2. September 1914, Seite 22: Anno ONB
- Wiener Kommunal-Kalender und städtisches Jahrbuch 1915, Seite 54: Anno ONB
- Arbeiter Zeitung v. 19. Juni 1917, Seite 7: Anno ONB
- Wiener Zeitung v. 15. September 1922, Seite 40: Anno ONB
- Österreichische Auto-Rundschau v. 13. Juni 1924, Seite 5: Anno ONB
- Wiener Salonblatt v. 26. Juli 1925, Seite 10: Anno ONB
- Österreichischer/Europa Motor 1927, Heft 3, Seite 49: Anno ONB
- Club-Organ des Oesterreichischen Touring-Club 1928, Heft 7, Seite 29: Anno ONB
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FürhackerRobert (Montag, 16 Januar 2023 18:54)
Sg Frau Kiradi!
Danke für den interessanten Artikel.
Ich habe die Familie in mein Datenbank aufgenommen.
https://gw.geneanet.org/rfuerhacker_w?lang=de&pz=robert&nz=furhacker&ocz=1&m=D&p=anton&n=keibl&oc=1&sosab=10&color=&t=A&num=on&v=5
https://gw.geneanet.org/rfuerhacker_w?lang=de&pz=robert&nz=furhacker&ocz=1&m=A&p=erich&n=zoigner&sosab=10&color=&t=N&v=6
lG Robert Fürhacker
Johanna Benyes (Montag, 23 Januar 2023 10:07)
Vielen Dank für die ungemein interessanten Berichte über dieFamiliengeschichte und Personen, welche am Zentralfriedhof Ihre letzte Ruhe fanden. Leider kenne ich Ihre Berichte erst seit Herbst 2022. Ich freue mich schon auf die nächste
Mitteilung.
grobmotorix (Freitag, 27 Januar 2023 19:44)
Meine Hochachtung Frau Kiradi,
wie tief Sie in die individuellen Geschichten einsteigen und damit in den verschiedensten Themenbereichen so gut recherchieren.
Sie haben eben noch eine Mail von mir erhalten.
Beste Grüße aus Rothenburg ob der Tauber in D.
Immo.mikloweit@t-online.de (Samstag, 28 Januar 2023 12:45)
Mein Name ist Immo Mikloweit aus Köln. Ich schreibe über DB Deutsche Citroem Geschichte über die Kölner AutoBild Geschichte. Darüber hinaus habe ich mit Erik Eckermann in München über die deutschen Kirche Riebau ein gemeinsames Buch veröffentlicht mittlerweile 17 Autoren gemeinsam über diese Geschichte diversen Storchenveröffentlichungen mit eingebracht haben. Das nur zur Information, ich freue mich, dass auch Österreich in eine Frühgeschichte wird und auch präsentiert wurde. über eine Bestätigung E-Mails und einen weiteren Kontakt würde ich mich sehr freuen. Schöne Grüße auf der Reise von Stuttgart nach Köln, wo man auch eine gewisse Zeit mit derartigen Antworten für alle Fälle meine deutsche E-Mail-Adresse wäre 0160 95973 585in Deutschland Adresse für alle Fälle ist 51105 Köln krückelstraße 19a Gruß und dank für die Aufmerksamkeit
Gerda Breitenstein, CH 4450 Sissach (Dienstag, 12 Dezember 2023 20:54)
Vielen herzlichen Dank für die ausführlichen Recherchen zur Geschichte der Keibls. Marie Wenner, geb. Keibl hatte mit Viktor Wenner eine Tochter, Mignon Wenner, adoptiert. Mignon wurde in Bern als Tochter der Anna Barbara Kiener geboren und war die Halbschwester meiner Grossmutter Anna Clara Mohler-Kiener. Dank Ihrer Recherche habe ich so viel über die Vergangenheit erfahren können. Das Grab der Wenners gibt es leider nicht mehr. Es wurde aufgehoben. Gerda Breitenstein, CH 4450 Sissach bei Basel