Dr. Ernst Waldbrunn war Schauspieler und Kabarettist. Bekannt ist er für seine Doppelkonferencen mit Karl Farkas im Kabarett Simpl.
Herkunft und frühe Jahre
Ernst (Ernest) Karl Anton Waldbrunn kam am 14. August 1907 in Krumau (heutiges Ceský Krumlow), Böhmen zur Welt. Sein Vater Karl Waldbrunn stammte aus Wien. Als Beamter war er als k.k. Bezirkshauptmann nach Krumau entsandt worden. Von dort sollte er den Kontakt zu Wien halten. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges und der Eingliederung der deutschen Siedlungsgebiete in die neu gegründete Tschechoslowakei wurden die Waldbrunns tschechische Staatsbürger. Gelebt hat die Familie zu dieser Zeit in Brüx (heutiges Most), wo Karl Waldbrunn dann auch Bezirksverwalter war.
Ernsts Mutter, Rosa Lederer, war die Tochter des jüdischen Kohlegroßhändlers und Tabak-Hauptverlegers Moritz Lederer aus Mies. Ernsts Großmutter mütterlicherseits, Elise Lederer, starb 1915 nach schwerer Krankheit im Alter von nur 59 Jahren. Sein Großvater starb ab 31. August 1928 im 76. Lebensjahr. Beide wurden am israelitischen Friedhof in Mies zur letzten Ruhe gebettet.
Ernst Waldbrunn legte in Brüx seine Reifeprüfung ab und studierte dann auf Druck seines Vaters Rechtswissenschaft in Prag. Er schloss sein Studium auch als Doktor der Rechte ab. Doch sein Herz schlug für die Bühne und so debütierte er 1928 ohne jegliche Schauspielausbildung in Teplitz-Schönau als Theaterschauspieler. Bald spielte er auf diversen Provinzbühnen in Böhmen und Mähren, wo er sich vom Statisten zum Schauspieler entwickelte.
1929 ereilte Ernst eine schreckliche Nachricht. Am 12.7.1929 vergifteten sich seine Eltern in ihrer Wohnung in Brüx, Masarykplatz 354/7 mit Leuchtgas. Nach dem Auffinden der Leichen und ihrer Abschiedsbriefe, meldeten die Zeitungen, dass das Motiv des Doppelselbstmordes die Versetzung Karl Waldbrunns von Brüx nach Eger gewesen sei. Andere wiederum mutmaßten, dass die Ursache eine ernste Erkrankung gewesen sei.
1930 spielte Ernst Waldbrunn in Teplitz-Schönau nur sehr kleine Rollen. Aufgrund des ausbleibenden Erfolges war er kurz davor, seine Karriere als Schauspieler an den Nagel zu hängen und wieder als Jurist zu arbeiten. Der Regisseur Max Ophüls redete ihm aber zu, weiter bei der Schauspielerei zu bleiben und an seinen Fähigkeiten zu arbeiten.
1938 spielte Ernst Waldbrunn in Mährisch-Ostrau, wo er Karl Farkas kennenlernte. Farkas war als Jude von Wien nach Brünn geflohen und arbeitete in der Tschechoslowakei als Regisseur. Wenig später musste er auch von hier flüchten. Ernst Waldbrunn entdeckte damals sein Talent für das Komische. Ernst bekam endlich auch Engagements an verschiedenen Theaterbühnen, wie z.B. am Stadttheater Franzensbad. Dort begegnete er Maxi Böhm, der einer seiner besten Freunde wurde. In den Theaterkritiken wurde Waldbrunn immer als „Glanzpunkt der Aufführung“ oder als „geniale Lustspielrakete“ beschrieben. Die Kritik über Maxi Böhm lautete immer nur „Herr Böhm hat einen trockenen Humor!“ Jahrzehnte später gestand Ernst Waldbrunn seinem Freund Böhm, dass er damals neben seiner Schauspieltätigkeit auch als Kulturkritiker eines Lokalblattes tätig gewesen war und die Kritiken von ihm selbst stammten.
Zu dieser Zeit lernte er auch die Schauspielerin Erna Korhel kennen, mit der er angeblich eine Tochter hatte, die 1944 geboren worden sein soll.
NS-Zeit
Während seines Engagements am Theater Gleiwitz, wurde Ernst Waldbrunn gezwungen, an Lagergastspielen für die Bewacher im KZ Auschwitz mitzuwirken.
Ernsts Mutter hatte 4 Schwestern und einen Bruder. Mindestens zwei Tanten von Ernst Waldbrunn verloren im Holocaust ihr Leben. Johanna Stein geb. Lederer (1884-1942), deren Ehemann 1938 schon gestorben war, wurde verhaftet und am 18.4.1942 von Ceské Budéjovice nach Theresienstadt verbracht. 5 Tage später brachte man sie mit einem Transport weiter ins KZ Lublin. Dort starb sie. Ihr Sohn Franz Stein wurde nach Dachau deportiert. Olga Heller geb. Lederer (1872-1942) wurde gemeinsam mit ihrem Mann verhaftet, am 13.7.1942 von Prag nach Theresienstadt gebracht und von dort am 19.10.1942 nach Treblinka überstellt, wo sie beide ermordet wurden. Ihre Töchter Gertrud und Anna fanden ebenfalls den Tod durch die Nazis. Von den anderen Verwandten von Ernst Waldbrunn konnte ich keine Daten ausfindig machen.
Mit 1.9.1944 trat eine Verordnung in Kraft, die den „totalen Kriegseinsatz der Kulturschaffenden“ anordnete. Künstler, die nicht auf der sogenannten „Gottbegnadeten-Liste“ standen, wurden zu kriegswichtigen Tätigkeiten herangezogen. Im Volksmund sprach man von „Theatersperre“. Durch diese Verfügung Joseph Goebbels’ kam es zur Schließung fast aller deutschen und österreichischen Theater und Kulturbetriebe. Auch Ernst Waldbrunn konnte damit seinen Beruf nicht mehr ausüben. Als „Halbjude“ verschleppte man ihn im September 1944 ins Lager Gleiwitz, einem Außenlager des KZ Auschwitz. Von dort gelang ihm im Oktober die Flucht. Er tauchte dann in Wien bei Bekannten unter. Dort blieb er bis Kriegsende und überlebte so den Nazi-Terror. Seine Erlebnisse aus dieser Zeit verarbeitete Ernst Waldbrunn später in seinem Stück „die Flucht“.
Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre
Ab 1945 spielte Ernst Waldbrunn in der Kleinen Komödie. Karl Farkas holte ihn an das Kabarett Simpl. Dort hielt Waldbrunn 1945 anlässlich der Wieder-Eröffnung einen Prolog auf den bedeutenden Conférencier Fritz Grünbaum.
Ernst Waldbrunn spielte dann ab 1950 im Simpl mit Karl Farkas Doppelconferencen, die Hugo Wiener schrieb. Dabei mimte Farkas als „Herr Berger“ den „Gscheiten“ und Waldbrunn als „Herr Schöberl“ den „Blöden“. Diese Rollen übernahm sie auch in den „Bilanzen“ des ORF. Waldbrunns Markenzeichen war sein charakteristisches „Stottern“. Seine unverkennbare Art machte ihn rasch zum Publikumsliebling. Er war auch nie um eine Pointe verlegen. So trug sich z.B. folgendes im Simpl zu: Ernst Waldbrunn kam, wie meist, abgehetzt von seiner Vorstellung in den Kammerspielen, um dann spätabends noch im Simpl aufzutreten. Er wusch sich noch schnell vor seinem Auftritt die Hände. Dabei spritzte er sich so unglücklich seine Hose an, dass man annehmen hätte können es sei ihm etwas „passiert“. Daraufhin drehte Ernst Waldbrunn kurzerhand den Wasserhahn voll auf und schüttete eine Menge Wasser über Gesicht, Sakko und Hose. Dann betrat der die Bühne und begrüßte Farkas mit den Worten: „Servus Karl, stell dir vor, ich bin in ein Regenwetter gekommen“. Der Auftritt war gerettet.
Aber auch privat hatte Ernst Waldbrunn immer den Schalk im Nacken. Eines Tages saß er mit Maxi Böhm im Cafe Prückl. Waldbrunn wurde zur Probe gerufen, verabschiedete sich und ging zum Ausgang. Dort drehte er sich um und rief, so dass alles es hören mussten: „Beeeehm! Sag deiner Schwester, sie soll morgen NICHT zum Fußbodenreiben kommen, ich hab schon jemanden!“ Daraufhin verschwand er. Nun war Maxi Böhms Herzlosigkeit Gesprächsthema Nr. 1. „Das hätte er seiner Schwester aber wirklich ersparen können, dass sie in fremden Häusern Fußböden reiben muss!“ tuschelte man hinter seinem Rücken. Dabei hatte Maxi Böhm gar keine Schwester, geschweige denn, dass sie Waldbrunns Fußboden gerieben hätte.
Ernst Waldbrunn trat aber auch als Charakterdarsteller auf diversen Bühnen, vor allem aber am Theater in der Josefstadt, auf wo er Rollen wie den Soldaten Schweijk, aber auch Figuren aus Stücken von Molnár, Schnitzler oder Nestroy spielte. In der Josefstadt war er von 1946 bis 1977 Ensemblemitglied. Er wirkte hier aber nicht nur als Darsteller, sondern auch als Regisseur und Autor. Waldbrunn schrieb auch viele Sketches, in denen er teilweise auch selbst mitwirkte.
Außerdem entfaltete er eine rege Rundfunk-, Fernseh- und Filmtätigkeit. Ernst Waldbrunn war zusammen mit Lida Winiewicz auch Autor des ernsten und autobiografisch gefärbten Schauspiels „Die Flucht“. Er schlüpfte bei der Uraufführung 1965 sogar in die Hauptrolle.
Auf der Leinwand erlebte man den Schauspieler erstmals 1947 mit der kleinen Rolle des Baron Schlick in dem Liebesfilm "Das unsterbliche Antlitz". In den folgenden Jahren war er meist in prägnanten, komischen Nebenrollen zu sehen. Er stellte Nachtwächter, Kellner, Wirte, Portiere, Wachtmeister, Polizisten etc. dar. Bekannte Filme waren z.B. „der alte Sünder“ (1951), "Der Kongreß tanzt" (1955), "Unsere tollen Tanten" (1961), "Die lustige Witwe" (1962), "Das Spukschloß im Salzkammergut" (1966) oder "Liebe durch die Hintertür" (1969). Seine Filmpartner waren des Öfteren Hans Moser, Gunther Philipp oder Oskar Sima. Auch in den Filmen „Der Prozess“ von Georg Wilhelm Pabst oder "Oberst Redl" von Fritz Kortner wirkte Ernst Waldbrunn mit .
Ernst Waldbrunn lernte seine wesentlich jüngere Schauspielkollegin Elfriede Ott (1925-2019) während seiner Arbeit für die „RAVAG“, der ersten österreichischen Rundfunkgesellschaft, kennen. Die beiden heirateten am 4. Mai 1950 am Standesamt in der Amerlingstraße in Wien. Trauzeuge war Theaterdirektor Rudolf Steinböck. Die beiden Schauspieler traten auch oft gemeinsam in der Josefstadt und in den Kammerspielen auf. Obwohl Ernst Waldbrunn als hilfsbereiter und gütiger Mensch galt, hatte er auch eine Seite, die das Leben mit ihm teilweise schwierig machte. Dazu gehörte vor allem sein übermäßiger Alkohol- und Zigarettenkonsum. Nach vielen Auf und Abs folgte 1964 nach 14 Ehejahren die Scheidung. Ernst Waldbrunn zog daraufhin ins Hotel Sacher, wo er die nächsten zehn Jahre als Dauergast wohnte. Seine Nächte verbrachte er bevorzugt in der Eden-Bar in der Liliengasse. Dort traf er sich nach seinen Auftritten gerne mit Kollegen.
Auch bei Sportveranstaltungen war er häufig anzutreffen, denn er war ein großer Fußball-Fan.
1965 soll er seine alte Liebe und die Mutter seiner Tochter, Erna Korhel geheiratet haben. Diese war nach dem Krieg ebenfalls nach Wien gekommen und arbeitete als Schauspielerin u.a. auch in der Josefstadt. Bereits 3 Jahre später war auch diese Ehe wieder am Ende und wurde geschieden. Über seine Tochter hat Ernst Waldbrunn kaum gesprochen. Es ist auch nichts über sie bekannt.
Späte Jahre, Tod und letzte Ruhestätte
Nach wechselnden Beziehungen zeigte sich Ernst Waldbrunn zuletzt oft in Begleitung der wesentlich jüngeren, holländischen Tänzerin Marijke Baayens. Sie blieb bis zu seinem Tod bei ihm.
1972 bzw. 1973 erhielt Ernst Waldbrunn das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst erster Klasse und das Goldene Ehrenzeichen des Landes Wien.
Als Ernst Waldbrunn mit Marijke Baayens am Opernball erschien, wurde er um ein Interview gebeten. Verschmitzt lächelnd zeigte er zuerst auf die neben ihm stehende junge Frau und dann auf seine Orden, die er am Frack trug. Dann sagte er: „Die Orden nimmt mir wenigstens keiner weg!“
Einen seiner letzten TV-Auftritte hatte Ernst Waldbrunn 1974 in der Episode "Alte Freunde" in der Serie "Hallo - Hotel Sacher - Portier!"
In seinen letzten Lebensjahren ging es Ernst Waldbrunn aufgrund seines exzessiven Alkoholkonsums und seiner Zigarettensucht gesundheitlich immer schlechter. Dennoch kommentierte er dies so: „Ich habe immer viel geraucht, viel getrunken, bin nie spazieren gegangen und jede Nacht in Bars gesessen. Aber ich bereue es nicht, so gelebt zu haben!“
Ende September 1977 erlitt er einen Schlaganfall. An den Folgen starb er schließlich am 22. Dezember 1977, kurz nach seinem 70. Geburtstag, im Lainzer Krankenhaus. An seiner Seite waren sowohl Elfriede Ott, als auch Marijke Baayens.
Am 30. Dezember 1977 fand das feierliche Begräbnis statt. Sein ehrenhalber gewidmetes Grab befindet sich am Wiener Zentralfriedhof, in der Gruppe 40, Nummer 55. Am schnellsten zu erreichen von Tor 3 aus.
Bildquellen:
- Parten von Elise und Moritz Lederer: Geni
- Ernst Waldbrunn: Steffiline
- Parte von Rosa und Karl Waldbrunn: Geni
- Ernst Waldbrunn: Familysearch
- Ernst Waldbrunn: Kulturpool
- Ernst Waldbrunn: Kulturpool
- Ernst Waldbrunn: Kulturpool
- Farkas und Waldbrunn: TV ORF
- Hochzeitsfoto: Die Weltpresse v. 5. Mai 1950, Seite 8: Anno ONB
- Ott und Waldbrunn am Concordiaball: ONB digital
- Erna Korhel: Theatermuseum Onlinesammlung
- Grab v. Ernst Waldbrunn: © Karin Kiradi
Quellen:
- Wikipedia
- Geschichte Wiki Wien
- Kabarettarchiv
- Austria-Forum
- Steffi-Line
- Österr. Pressebüro v. 5.5.2022
- Der Tag v. 13. Juli 1929, Seite 6: Anno ONB
- Prager Tagblatt v. 13. Juli 1929, Seite 4: Anno ONB
- Die Weltpresse v. 4. Mai 1950, Seite 6: Anno ONB
- Wiener Kurier v. 3. Mai 1950, Seite 4: Anno ONB
- Familysearch
- Holocaust Opferdatenbank Tschechien
- Rathauskorrespondenz v. 9.1.1973: Wienbibliothek digital
- Magisterarbeit v. Mathias Fiedler, Bakk. phil., 2014: Universität Wien
- " das heitere Lexikon der Österreicher“ v. Georg Markus, Ausgabe 2005
- "Die Enkel der Tante Jolesch" - E-Book v. Georg Markus, Ausgabe 2001
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Ingrid Widl (Sonntag, 18 Dezember 2022 12:50)
Liebe Karin dieser Beitrag war wieder einmal sehr gelungen und wir haben über die diversen Anekdoten herzlich gelacht! Wir freuen uns schon auf weitere Blogs im neuen Jahr und wünschen dir schöne Feiertage und alles gute für 2023!