Andreas Stifft erblickte am 29. November 1760 in Röschitz (NÖ), das Licht der Welt. Seine Eltern waren Weinbauern. Andreas war das jüngste von 11 Kindern, wobei mehrere seiner Geschwister bereits im frühkindlichen Alter gestorben waren.
Bereits in seiner frühen Kindheit wurde man auf die hohe Intelligenz von Andreas aufmerksam. Das war auch der Grund, weshalb ihn seine Eltern zum Studium nach Wien schickten. 1784 graduierte er dort zum „Doctor der Heilkunde“.
Dr. Andreas Stifft war verheiratet mit Anna Stütz (1759-1845). Die beiden hatten 3 Kinder:
- Andreas (1787-1867) ⚭ Emilie Gosmar aus Hamburg (1801-1860)
- Caroline (Fanni) (*1796) ⚭ Johann Nepomuk v. Raimann, Mediziner (1780-1847)
- Therese (1797) ⚭ Dr. phil. Carl Ritter v. Heintl (1769-1939)
Stifft wohnte mit seiner Familie im 1. Bezirk im Tiefen Graben, im 2. Stock des Teutscherischen Hauses Nr. 354. Dort befand sich auch seine erste Arztpraxis. Später übersiedelten die Stiffts auf den Ballhausplatz 23. Nach Stiffts Pensionierung bezog er schließlich im Frühjahr 1936 mit seiner Frau eine Wohnung im Schloss Schönbrunn.
Vom „Promiarzt“ zum Leibarzt des Kaisers
Stifft eröffnete eine Praxis als praktischer Arzt in Wien. Seine Patienten gehörten vorwiegend dem gehobenen Bürgertum und dem Adel an. Dank dieser Klientel wurde Stifft bald zum „Promiarzt“ der damaligen Zeit. Das wiederum eröffnete ihm den Zutritt in die allerfeinsten Häuser.
Stifft behandelte allerdings auch die Armen der Stadt. In einem Zeitungsinserat von 1784 bot er Armen und Kranken, die sich keinen Arzt leisten konnten, bzw. aus irgendwelchen Gründen in kein Spital gehen wollten, seine unentgeltliche Behandlung an.
Stifft betätigte sich auch schriftstellerisch. 1790 - 1792 verfasste er ein zweibändiges Werk mit dem Titel „Praktische Heilmittellehre“. 1794 nahm er an einem Preisausschreiben teil und verfasste dafür eine Arbeit über die Reorganisation der medizinisch-chirurgischen Josephs Akademie. Diese brachte ihm die Preismedaille von 40 Dukaten ein. Damit zog er u.a. auch die Aufmerksamkeit des damaligen kaiserlichen ersten Leibarztes Anton von Störck auf sich. Auf dessen Empfehlung wurde Stifft 1795 zum 2. Wiener Stadtphysikus und Sanitäts-Magister ernannt. Bereits ein Jahr später erhielt er die Stelle eines Hofarztes. 1799 avancierte er zum „wirklichen Leibarzt des Kaisers“.
Nachdem er 1802 zum Hofrat aufgestiegen war, wurde er 1803 nach dem Tod Störcks, zum „wirklichen ersten k.k. Leibarzt“ befördert. Damit verbunden, übernahm er auch das Amt des „Direktors der medizinischen Studien der Universität Wien“. Gleichzeitig wurde er Bücherzensor im medizinischen Bereich, Protomedicus und Präses der medizinischen Fakultät. Die nächsten wichtigen Positionen in seiner Karriere waren ab 1808 Referent der Studien-Hofkommission, 1812 Referent im Staatsrat und 1813 wirklicher Staats- und Konferenzrat. 1813 – 1815 begleitete Stifft Kaiser Franz II/I. auf seinen Feldzügen gegen Napoleon. Nach der Rückkehr erhielt Stifft das Kreuz des Stephansordens verliehen und wurde in den Freiherrenstand erhoben. 1818 wurde er zum Mitglied der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften, gewählt. In den folgenden Jahren regnete es förmlich Auszeichnungen für den frisch gebacken Adelsmann. Es würde zu weit führen, jede einzelne hier anzuführen.
1826 erkrankte Kaiser Franz II/I. an einer lebensgefährlichen Infektionskrankheit. Man rechnete schon mit dem Schlimmsten, als es doch noch gelang den Monarchen zu retten. Durch die aufopfernde Pflege seiner Gattin Karoline Augusta und die Bemühungen der Ärzte, allen voran FH von Stifft, gelang es, den Kaiser zu retten. Zum Dank wurde Stifft mit dem Kommandeurkreuz des Stephanordens ausgezeichnet und der Kaiser erhob ihn zum Geheimrat. In Folge wurde er auch in den n.ö. Ritterstand aufgenommen. Weitere Orden und Auszeichnungen folgten auf den Fuß.
Im Rektoratszimmer der alten Universität wurde eine vom Bildhauer Franz Klein angefertigte Büste Stiffts feierlich enthüllt. Nach der Eröffnung des neuen Hauptgebäudes 1889 wurde sie im Arkadenhof der Universität aufgestellt.
1829 wurde dann auch Stiffts Schwiegersohn, Nepomuk von Raimann, zum Leibarzt des Kaisers ernannt.
1834 bat Stifft aufgrund eines Augenleidens um seine Pensionierung, die ihm der Kaiser in einem eigenhändig geschriebenen Handbillet gewährte. Dennoch blieb Stifft in all seinen Ämtern, wenn auch eingeschränkt, weiterhin tätig.
Der Kaiser erholte sich nach seiner schweren Erkrankung von 1829 nie mehr ganz. Im Feber 1834 wurde der Gesundheitszustand des Kaisers wieder äußerst besorgniserregend und er ließ sich mit den Sterbesakramenten versehen. Als Stifft und die anderen Leibärzte den Kaiser schon aufgegeben hatten, riefen die Erzherzöge noch andere Ärzte zu Hilfe. Aber auch die zahlreichen Aderlässe und die Arzneien dieser Ärzte konnten den Herrscher nicht mehr retten. In der Nacht vom 1. auf den 2. März 1835 hauchte der Monarch sein Leben aus. Sein Nachfolger war Kaiser Ferdinand I. Ihn hatte Stifft bereits ärztlich betreut, als er 1832 Opfer eines Anschlages in Baden bei Wien geworden war. Jetzt bestätigte Ferdinand I. Stifft in all seinen Ämtern.
Reformer oder Verhinderer?
Die Meinungen über Stiffts Schaffen sind sehr kontrovers. Während ihm die einen für seine Reformen Blumen streuen, kritisieren die anderen seine Feindseligkeit gegenüber dem Fortschritt. Sicherlich war Stiffts Vorgehen geprägt vom Einfluss des damaligen Außenministers und späteren Staatskanzlers Fürst Metternich. Ihm war alles Neue verdächtig. Es war die Zeit der Zensur und des Spitzelwesens.
Stifft agierte in seiner uneingeschränkten Herrschaft über alle Teile des öffentlichen Sanitätswesens vielfach willkürlich und nach persönlichen Interessen. Er unterdrückte dabei so manches Talent und förderte nur Streber, Schmeichler und Verehrer seiner Person. Einer, dessen Fortkommen lange Jahre von Stifft blockiert wurde, war z.B. der spätere Kustos der k.k. Hofnaturalienkabinette Paul Partsch.
Stifft lehnte neue Erkenntnisse nicht nur ab, sondern verfolgte ihre Entdecker bzw. Anwender regelrecht. Ein solches Opfer war z.B. Joseph Gall. Er wollte anhand seiner Schädellehre eine anatomisch begründete Charakterlehre aufbauen. 1805 verließ er schließlich notgedrungen Wien.
Auch auf Mattias Marenzeller, der die Homöopathie praktizierte, hatte es Stifft abgesehen. Er ließ vom Kaiser eine Untersuchungskommission gegen Marenzeller einsetzen und die Homöopathie verbieten. Marenzeller setzte sich schließlich nach Prag ab. Er stand aber unter dem Schutz von Fürst Carl Schwarzenberg. Dieser erwirkte 1820 beim Kaiser sogar eine Genehmigung für einen Besuch in Leipzig für eine Kuranwendung mit Homöopathie. 1828 kam dem Kaiser zu Ohren, dass in der Armee in Ungarn bei einem epidemisch aufgetretenen Fieber mit der homöopathischen Kurmethode beachtliche Erfolge erzielt worden seien. Daraufhin ordnete der Kaiser an, in der k.k. med.-Chirurg. Josephsakademie homöopathische Behandlungen durchzuführen und zu begutachten. Zu diesem Vorhaben wurde Marenzeller nach Wien berufen, um in einer Abteilung mit 12 Betten unter Aufsicht von Professoren der Akademie homöopathisch zu behandeln. Nach sich widersprechenden Gutachten brach man die Versuche jedoch vorzeitig ab. Marenzeller aber entschloss sich, in Wien zu bleiben. Seine Wiener Praxis war bald überlaufen. Sogar die Gattin des Fürsten Metternich zählte zu seinen Patienten. In dieser Situation blieb die weiterhin betriebene Verfolgung Marenzellers und seiner homöopathisch arbeitenden Kollegen wirkungslos. Marenzeller soll aber seine homöopathische Apotheke sicherheitshalber immer in einem Ofenloch versteckt gehalten haben. Auch während der Choleraepidemie 1831/32 konnte Marenzeller mit seiner Homöopathie große Erfolge erzielen. Die Aufhebung des Verbots der homöopathischen Heilart konnte aber erst nach dem Tod von Kaiser Franz II/I. und Stifft erreicht werden.
Auch Johann Peter Frank, der Direktor des Allgemeinen Krankenhauses wurde von Stifft verfolgt. Frank setzte sich enorm für die Verbesserung der Hygiene im Spital ein. Er führte auch Versuche über den Nutzen der Pockenimpfung durch und machte erste öffentliche Impfungen. Ihn betrachtete Stifft als großen Rivalen und erreichte schließlich, dass sich Frank aus Wien verabschiedete.
Trotz seiner reaktionären und restriktiven Hochschulpolitik wurde Stifft auch zu einem Förderer der Wiener Medizinischen Schule. Er machte Chemie, Botanik und Pharmazie zu Lehrfächern für Mediziner. 1804 schuf er einen Lehrstuhl für Staatsarzneikunde und Gerichtsmedizin. 1807 richtete er nach dem Muster der militärischen Josephs-Akademie auch ein ziviles Operateurinstitut ein.
Zur Förderung der wissenschaftlichen Publikationstätigkeit initiierte er 1811 zusammen mit seinem Schwiegersohn Johann Nepomuk von Raimann die „Medicinischen Jahrbücher des k. k. österr. Staates“. 1812 gründete Stifft im Wiener Allgemeinen Krankenhaus die weltweit erste Universitäts-Augenklinik unter Georg Joseph Beer.
1833 setzte Stifft die Verlängerung des Medizinstudiums von vier auf fünf Jahre durch. Er führte auch die zweijährige klinische Praxis als Voraussetzung für die Erlangung des Doktorats ein. Stiffts Reformen waren allerdings nicht für alle Professoren an der Universität vorteilhaft, denn er führte Kontrollen durch und ließ jene mit abweichenden Lehrmeinungen entlassen. Stifft betrieb eine stark autoritär geprägte Hochschulpolitik. So dienten die durchgeführten Reformen nicht zuletzt auch der staatlichen Überwachung der Studenten und Professoren. Stifft unterzog sie strengen Kontrollen um revolutionäre Einflüsse bzw. unerwünschte Lehrmeinungen zu unterbinden. Lehrende, deren politische Zuverlässigkeit oder Loyalität zum Kaiserhaus bezweifelt wurde bzw. deren Lehre als zu fortschrittlich angesehen wurde, ließ Stifft ihres Amtes entheben. Davon betroffen waren u. a. der Chirurg Johann Nepomuk Rust sowie der Arzt und Geburtsheler Johann Lukas Boër. Stifft war auch für die schleppende Weiterentwicklung des Unterrichts an der Medizinischen Fakultät verantwortlich, da er revolutionäre Errungenschaften aus dem Ausland abblockte. Die Universität erlitt dadurch erheblichen wissenschaftlichen Schaden und Vorarbeiten die z.B. von Gerard van Swieten und Josef Quarin geleistet wurden, verpufften.
1812 gliederte Stifft das „k. k. Thierarzney-Institut“ (heute: Veterinärmedizinische Universität Wien) in die Medizinische Fakultät der Universität Wien ein. Außerdem war er maßgeblich an der Gründung des „k.k. Polytechnischen Instituts“ in Wien (heute: Technische Universität) beteiligt. Stifft war ab 1803 Verfechter der Kuhpockenimpfung. Er selbst impfte zunächst mehrere Mitglieder der kaiserlichen Familie und steigerte in den Folgejahren die Impfrate durch die Verbreitung zahlreicher öffentlicher Aufrufe, Informationskampagnen und Anordnungen. Weiters wurde auf seinen Vorschlag hin ein eigenes militärisches Sanitätscorps eingerichtet.
Weniger ruhmvoll war sein Verhalten während der großen Choleraepidemie 1830/31. Stifft war von der Unübertragbarkeit der Krankheit überzeugt. Die ersten medizinischen Fachleute konnten sich mit ihren Warnungen gegen seinen Starrsinn nicht durchsetzen. Stifft verhinderte, dass wirksame Bekämpfungsmethoden gegen die Krankheit zum Einsatz kamen. Er ließ auch die von der Regierung als Seuchenpräventionsmaßnahme veranlassten Grenzschließungen beenden. Seine Anhänger feierten Stifft dafür als den Mann, der dem Volk wieder Mut und ein normales Leben zurückgegeben hatte. Kaiser Franz II/I. zog sich aber mit seiner Familie und seinem Leibarzt nach Schönbrunn zurück. Das Schloss wurde militärisch abgeriegelt, um den Hof vor der Krankheit zu schützen. Durch dieses Vorgehen mit zweierlei Maß büßte Kaiser Franz II/I. in Folge einiges an Popularität ein. 20.000 Menschen erlagen damals der Seuche. Stiffts Kritiker behaupten, dass er die Zahl der Todesopfer durch sein Verhalten enorm gesteigert hätte.
Tod und letzte Ruhestätte
1834 feierte Stifft sein 50jähriges Doktorat. Für diesen Anlass wurde eine Medaille mit seinem Konterfei geprägt. Im selben Jahr legte er seine Funktion als Leibarzt zurück und trat seinen Ruhestand an.
Er starb zwei Jahre später, am 16. Juni 1836, in seiner Wohnung im Schloss Schönbrunn. Laut Eintrag im Leichenschauverzeichnis war die Todesursache ein rheumatisch-gastrisches Fieber mit Ablagerung des Krankheitsstoffes auf das Gehirn. Das Leichenbegängnis fand am 18. Juni in der Hietzinger Kirche statt. Es fand sich eine große Menge hochgestellter und gelehrter Persönlichkeiten ein, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Der Leichnam wurde im Anschluss daran auf den Schmelzer Friedhof überführt und dort bestattet. Im Zuge der Auflassung des Friedhofs veranlasste die Gemeinde Wien seine Exhumierung, die am 15.7.1912 stattfand. Seine sterblichen Überreste wurden dann in einem Ehrengrab am Zentralfriedhof in der Gruppe 0, Reihe 1 / Nr. 64 zur letzten Ruhe gebettet. Das ist gleich direkt an der Friedhofsmauer, links vom Eingang bei Tor 2.
Ihm zu Ehren wurde eine Pflanzengattung aus der Familie der Korbblütler - die „Stifftia“ - nach ihm benannt.
Aus dem Nachlass Stiffts wurde eine Stiftung gegründet, deren Präsident sein Sohn Andreas wurde. Aus dieser Stiftung wurde ab 1850 ein Stipendium für die Dauer von 5 Jahren, vorzugsweise an Medizin-Studenten vergeben.
Sohn: Andreas Joseph Freiherr von Stifft (1787-1861)
Andreas wurde am 27. Juni 1787 in Wien geboren. 1818 heiratete er Emilie Gosmar aus Hamburg (1801-1860). Die beiden hatten mindesten 3 Kindern:
- Andreas (1819-1877)
- Amelia Katharina (*1826)
- Theodor (*1833)
Sie wohnten in der Stadt Nr. 562 (1. Bezirk, Tuchlaufen 8). Die Schwester seiner Frau, Louise Augusta Gosmar (1803–1850), war verheiratet mit Leopold Edlem v. Sonnleithner (1797–1873). Dieser war Hof- u. Gerichtsadvokat und Direktor der Ersten Österreichischen Sparkassa. Ausserdem war er Schriftsteller und Musikhistoriker und als solcher auch mit Schubert u. Grillparzer befreundet. Weiters war er Gründungsmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
Andreas war ursprünglich Bankier. Im Jahr 1832 erwarb er das Schloss Rosenau in Niederösterreich.
Den dazugehörigen landwirtschaftlichen Besitz bewirtschaftete er nach neuesten Erkenntnissen und errang dadurch bald einen bedeutenden Ruf als Ökonom und Finanzgenie. In dieser Zeit trat er auch der niederösterreichischen landwirtschaftlichen Gesellschaft bei und schrieb in deren Journal etliche Beiträge. Er gehörte der liberalen Partei an und wurde schließlich zum Unterstaatssekretär im Finanzministerium.
Andreas von Stifft starb am 25. Juni 1861 nach längerer Krankheit im Alter von 74 Jahren. Sein Leichnam wurde in der Pfarrkirche zu St. Peter eingesegnet und sodann auf dem Schmelzer Friedhof beerdigt. Nach seinem Tod veräußerten seine Erben den herrschaftlichen Besitz an Creszentia Stummer aus Brünn.
Enkel: Andreas von Stifft (1819-1877)
Andreas wurde am 10. Mai 1819 in Wien geboren. Er war der Sohn von Andreas Joseph FH von Stifft (1787-1861) und Emilie Gosmar. Damit war er auch der Enkel des k.k. Leibarztes Freiherr v. Stifft (1760-1836).
Andreas war ein außergewöhnlich talentiertes Kind und erhielt im Haus seines Vaters und Großvaters eine entsprechende Erziehung. Bereits mit 8 Jahren ging er aufs Gymnasium. Im Alter von 20 Jahren hatte er das Jus-Studium bereits vollendet. 1842 erlangte er die Doktorwürde. 1842-1848 war er Auskultant (= eine unbezahlte erste gerichtliche Ausbildungsstufe für Juristen nach der Universität) beim niederösterreichischen Landrecht. Dank seiner eminenten Begabung und der Beziehungen seines Vaters und seines verstorbenen Großvaters zu den einflussreichsten Persönlichkeiten, hätte dem jungen Juristen eine glanzvolle Laufbahn bevorstehen können. Es kam allerdings anders.
Stifft lernte 1841 eine gewisse Anna W. kennen, die ihn zeitlebens beeinflussen sollte. Obwohl sie bedeutend älter war als er, zog sie ihn vollends in ihren Bann. Anna lebte eine mystische Frömmigkeit, praktizierte Hellseherei und behauptete magnetische Fähigkeiten zu haben. Sie mahnte Stifft täglich zur Frömmigkeit und so kippte er regelrecht in einen religiösen Wahn. Er besuchte täglich die hl. Messe, ministrierte in irgendeiner Kirche einem Priester, der gerade die Messe feierte, ging mehrmals in der Woche zur Beichte, betete den Rosenkranz, wollte sich selbst geißeln und ein Büßerhemd tragen. Er entwickelte sich zunehmend zum Sonderling. Auf der anderen Seite bekämpfte er mit leidenschaftlichen Worten das Konkordat und die Frömmigkeit der offiziellen Kirche.
Stifft wurde allerdings auch Mitglied radikaler Vereine. Im Revolutionsjahr 1848 war er Mitarbeiter bei der Allgemeinen österreichischen Zeitung. Danach war er Journalist und gemeinsam mit Dr. Alfred Julius Becher und Hermann Jellinek Mitherausgeber des Revolutionsblattes "Der Radikale". Darin erhob Stifft maßlose Angriffe gegen die Regierung. „Die Ministerbank sei nicht besser als die Bank, die den Galeerensträfling trägt“, hieß es dort zum Beispiel. Stifft schrieb auch für Hermann Jellineks Zeitschrift "Kritischer Sprechsaal". Im September 1848 verteidigte Stifft den Journalisten Sigmund Engländer gegen Fürst Windisch-Graetz. Dieser hatte gegen Engländer eine Ehrenbeleidigungsklage eingebracht. Stifft wurde dann sogar Mitglied des Wiener Gemeinderats, musste aber auf Verlangen von Windisch-Graetz kurz darauf wieder ausscheiden. Nur die Intervention seines Vaters bewahrte ihn vor politischer Verfolgung. Becher und Jellinek wurden schließlich hingerichtet. Stifft entkam dem Todesurteil vermutlich nur durch den Einfluss seines Vaters. Aus dem Staatsdienst musste er allerdings ausscheiden.
Danach lebte Stifft als freier Schriftsteller. Neben seinen vielen Zeitungsartikeln verfasste Stifft auch mehrere Romane und Reiseberichte, z.B. „Modernes Leiden“, „Renaissance und Romantik", „Im Sturm des Lebens“, „Drei Bücher vom Geiste“, „Künstlerin und Bajadere", „Ein deutsches Schauspiel“ oder „Die Marquise". In seinem Nachlass fanden sich neben Tausenden von Briefen der verschiedenen Schriftsteller noch drei Romanmanuskripte: „Die letzten Gläubigen“, „Der Prinz von Urbino“ und „Paraklet, eine Familiengeschichte".
Stifft war 1859 Mitbegründer der "Concordia". In der Inneren Stadt war er oft unterwegs. Sommer und Winter trug er denselben abgetragenen Rock und hatte immer einen roten Regenschirm bei sich. Meist sprach er laut mit sich selbst, lächelte selbstgefällig oder gestikulierte wild mit der Hand, während er seines Weges ging. Viel Zeit verbrachter er in seinem Stammlokal, der Gerstenbrandschen Bierhalle. Dieses befand sich unweit seiner Wohnung in der Augustinerstraße 12.
Stifft starb am 13. Dezember 1877. Beerdigt wurde er am Friedhof in Laab im Walde.
Bildquellen:
- Andreas Josef Stifft: ONB digital
- Andreas FH von Stifft: Uni Wien
- Buch "praktische Heilmittellehre": Abebooks
- Büste Andreas FH v. Stifft: Wikipedia
- Andreas FH von Stifft: ONB digital
- Grab: © Karin Kiradi
- Leichenschaueintrag: Family-Search
- Pflanze Stiftia: Wikipedia
- Andreas FH von Stifft jun. : Wikimedia
- Schloss Rosenau: Wikipedia
Quellen:
- Austria-Forum
- Uni Wien
- Deutsche Biographie
- Viennatouristguide
- Baccelorarbeit
- Wienbibliothek
- Wikisource
- Burgen-Austria
- "Der Telegraph" v. 27. Juni 1836, Seite 1-2, Anno ONB
- "Der Siebenbürger Bote" v. 2. Juli 1836, Seite 1, Anno ONB
- "Der Wanderer" v. 13. Mai 1831, Seite 3, Anno ONB
- "Österreichische Apotheker-Zeitung" v. 17. Juni 1972, Seite 7, Anno ONB
- "Österreichische Apotheker-Zeitung" v. 30. Mai 1987, Seite 3, Anno ONB
- "Österreichische Apotheker-Zeitung" v. 5. Januar 1980, Seite 11, Anno ONB
- "Medizinisch chirurgische Zeitung" v. 29. September 1834, Seite 11, Anno ONB
- "Wiener Zeitung" v. 27. August 1834, Seite 3, Anno ONB
- "Wiener Zeitung" v. 22. September 1834, Seite 4 , Anno ONB
- "Morgen-Post" v. 28. Juni 1861, Seite 3, Anno ONB
- "Morgen-Post" v. 27. Juni 1861, Seite 2, Anno ONB
- "Wiener Zeitung" v. 6. Dezember 1850, Seite 17, Anno ONB
- "Wiener Zeitung" v. 16. Oktober 1784, Seite 15, Anno ONB
- Exhumierung: Wienbibliothek
- Tod Kaiser Franz: Wienbibliothek
- Choleraepidemie: Wienbibliothek
- Radikale Elemente im Gemeinderat: Wienbibliothek
- Historisches Lexikon: Wienbibliothek
- Amtsblatt der Stadt Wien 1967: Wienbibliothek
- Das medizinische Wien 1863: Wienbibliothek
- Geneanet Fürhacker
Kommentar schreiben
Hedwig abraham (Montag, 22 August 2022 07:47)
Grossartig wie alles von dir. Danke! Die beziehung zu sonnleithner ist interessant.
Ganz lg