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Jaromir von Mundy (1822-1894)

Jaromir von Mundy war der Begründer der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft.

 

Großvater: Wilhelm Mundy (1751-1805)

Wilhelm Mundy kam 1773 aus Monschau nach Brünn, um in einer der ältesten Feintuchfabriken des bekannten mährischen Tuchfabrikanten Köffiller zu arbeiten. 1776 machte sich Wilhelm als Tuchfabrikant selbständig. Obwohl ihm zunächst nur ein geringes Kapital seiner Mutter zur Verfügung stand, brachte er seinen Betrieb rasch in die Höhe. 1780 bemühte er sich bei Kaiser Joseph II. um ein Darlehen, das ihm aber nicht gewährt wurde. 1786 hatte Wilhelm Mundy schon 60 Webstühle in Betrieb und richtete wenig später in einem ehemaligen Zisterzienserinnen-Kloster in Tischnowitz bei Brünn eine zweite Tuchfabrik ein. 1800 erwarb er die Herrschaft Tischnowitz und 1802 die Herrschaft Eichhorn. Herzog Albert von Sachsen-Teschen bat ihn, noch eine dritte Fabrik in Teschen zu eröffnen.  Wilhelm Mundy konnte innerhalb kurzer Zeit ein außergewöhnlich großes Vermögen erwirtschaften. Mit seinen Unternehmungen trug er wesentlich dazu bei, dass aus der kleinen Provinzhauptstadt Brünn ein bedeutendes Zentrum der Textilindustrie wurde. In seinen Fabriken waren zuletzt ca. 2.000 Personen beschäftigt.  

Wappen der Barone von Mundy

1789 suchte Wilhelm beim Kaiser um Aufnahme in den Freiherrenstand an. Dies war ganz schön dreist, zumal es üblich war, Nichtadelige nur in den unteren Adelsstand zu erheben. Aber obwohl die Hofkanzlei dagegen war, entsprach Kaiser Josef II. der Bitte und machte Wilhelm Mundy zum Freiherren. Dabei erließ er Mundy auch noch die ½ Erhebungstaxe.

  

Verheiratet war Wilhelm in erster Ehe mit Josefa Forgoch (1769–1792). In dieser Ehe wurden 2 Söhne geboren, die aber beide jung starben:

• Wilhelm Franz (*17. 2. 1790) 

• Wenzel Jakob Josef (*26. 7. 1791) 

 

Josefa starb am 18. Jänner 1792 im Alter von 22 Jahren an Schwindsucht. Die zweite Ehe ging Wilhelm am 11. Feber 1793 mit Franziska Mikowini von Malowany ein. Aus dieser Verbindung gingen folgende Kinder hervor:

• Wilhelmina Franziska (†1820) verh. Mit Joseph Freiherr Honrichs zu Wolfswarffen (†1861) 

Johann (1798 – 1872) 

Wilhelm von Mundy starb am 22. Mai 1805.

 

Vater: Johann von Mundy (1798-1872)

1805 erbte der noch minderjährige Johann Evangelist Wilhelm Freiherr von Mundy ein Vermögen von anderthalb Millionen Gulden. Dazu gehörten die die Herrschaften Drnovice, Hvozdec, Říčany, Porta Coeli und Veveří sowie drei Tuchfabriken in Brünn, Předklášteří und Teschen. Anfangs wollte die Witwe von Wilhelm von Mundy für ihre Kinder die Produktion fortführen, doch bereits im Jahre 1806 mussten die Textilunternehmen verkauft werden. Damit setzte der Niedergang der Familie ein. Ein Teil des Geldes diente zur Begleichung von Schulden, den Rest investierte Johann in den Erwerb der Herrschaft Račice bei Wischau (Vyškov). Dort führte er eine Musterzucht von Schafen ein und verkaufte die Wolle an nahe gelegene Webereien. Weiters errichtete er eine Zuckerfabrik auf seinen Gütern. Das Renaissanceschloss ließ Mundy im Empirestil umbauen.  Doch auch dieses Gut verkaufte er 1861. Die letzten Besitztümer der Familie veräußerte er kurz vor seinem Tod an den Olmützer Fürstbischof Friedrich Kardinal Fürstenberg. 

Johann von Mundy

1816 ehelichte Johann die Gräfin Isabella Kálnoky von Köröspatak (1798-1866). Für die Familie Mundy war diese Heirat außerordentlich prestigeträchtig, da die Kálnokys zum alteingesessenen ungarischen Adel gehörte. Ihr Adelsgeschlecht ist bis ins 13. Jhdt. nachweisbar. 1697 wurden sie in den ungarischen Grafenstand erhoben.  

 

Isabella litt offenkundig seit frühen Jahren an einer manisch-depressiven Psychose und hatte scheinbar auf dem aristokratischen „Heiratsmarkt“ keine Chance. Vermutlich wurde sie deshalb mit dem „neuadeligen“ Mundy vermählt.  Ihre Krankheit machte sich später auch bei ihrem Sohn Jaromir bemerkbar.

 

Das junge Paar zog nach der Hochzeit auf die Burg Veveri. Dort kamen auch ihre 5 Kinder zur Welt: 

• Bohuslav (1816 – 1896)

• Isabela (1818 – 1864)

• Johann (1820 – 1862)

• Heinrich (1821 – 1896)

Jaromir (1822 – 1894)

Für seine Kinder sah Johann Mundy eine typische Adelskarriere vor. Während die Güter offenbar der älteste Sohn Bohuslav erben sollte, plante er für Johann und Heinrich eine militärische Karriere. Jaromir sollte eine kirchliche Laufbahn einschlagen. 

 

Johann Mundy starb 1872 in Wien. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Familiengruft in Drnovice.

 

Jaromir von Mundy (1822 – 1894)

Jugend

Jaromir Candidus Franz Serafin Freiherr von Mundy wurde am 3. Oktober 1822 auf der Burg Veveri geboren. Bereits als Kind begeisterte sich Jaromir für Medizin. So oft es ging, suchte er den ansässigen Arzt auf, um ihm in irgendeiner Art und Weise behilflich sein zu dürfen. Der Arzt akzeptierte ihn bald auch als Begleiter bei Unglücksfällen. Während der Choleraepidemien 1832 und 1838 versah Jaromir freiwillig Sanitätsdienst.  

Jaromir von Mundy

Seine Eltern planten für ihn aber eine kirchliche Laufbahn und schickten ihn zum Theologiestudium ins Brünner Alumnat. Sein Interesse dafür hielt sich allerdings in Grenzen. Er brach das Studium ab und begann sich mit Medizin zu beschäftigen. Der Vater zeigte sich mit diesem Schritt ganz und gar nicht einverstanden und zwang seinen Sohn, den Militärdienst beim 49. Infanterieregiment in Wien abzuleisten. Während dieser Zeit besuchte Jaromir in seiner Freizeit Wiener Krankenhäuser und half Ärzten und Patienten. Mit vielen Medizinstudenten knüpfte er intensive Freundschaften. Jaromir war außerdem äußerst gebildet, belesen und sprachbegabt. Er beherrschte neben Deutsch, Tschechisch, Französisch, Italienisch und Kroatisch noch weitere 7 Sprachen. Er wurde ein brillanter Gesellschafter, der bei guter Laune auch gerne Arien aus Operetten oder Opern sang.

 

Nach dem Ausbruch der Revolution 1848 war er bereits Oberleutnant und nahm in der Armee Radetzkys am gesamten Italienfeldzug (1848–1849) teil. Die Erlebnisse auf den Schlachtfeldern prägten ihn nachhaltig. Mit fast 30 Jahren wurde Jaromir zum Hauptmann befördert und zum 6. Infanterieregiment nach Galizien versetzt. 

 

Der Mediziner

Im Jahre 1855 verließ Mundy die Armee und begann in Würzburg Medizin zu studieren. Dank seines außerordentlichen Fleißes wurde er bereits nach dem vierten Semester zum Rigorosum zugelassen, das er mit Auszeichnung bestand. Seine Dissertationsarbeit schrieb er zum Thema „Über die Familien-Behandlung von Irren in Irren-Kolonien“. Ab 1859 widmete er sich dem Studium der Irrenheilkunde und der gerichtlichen Medizin und sammelte praktische Erfahrungen in Heidelberg, Leipzig und Berlin. Dort setzte er sich jeweils auch für die Verbesserung der Behandlung von Geisteskranken ein. 

 

Als im April 1859 ein Krieg zwischen Österreich, Sardinien-Piemont und Frankreich ausbrach, trat Mundy wieder in die k. k. Armee ein, wo er zum Sanitätsdienst eingeteilt wurde. Während der Schlacht bei Solferino am 24. Juni 1859 lernte er den Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant kennen. Dunant beschrieb die schrecklichen Zustände auf dem Schlachtfeld und die ungenügende Versorgung der tausenden von Verwundeten in dem Buch „Eine Erinnerung an Solferino“. Dunant gilt als Begründer der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung.   

Buchseite "Beiträge zur Reform des Sanitätswesens in Österreich" von Jaromir v. Mundy

Die grauenvollen Kriegserlebnisse erschütterten Jaromir schwer. Die gewaltigen Verluste auf allen Seiten und der Zusammenbruch der medizinischen Versorgung waren der Grund, dass er sich für eine grundsätzliche Reform des Sanitätsdienstes in der Armee einsetzte. Nach der Schlacht von Solferino galt sein besonderes Augenmerk der Hilfe von geistig Verwirrten. Sie waren nach den Schlachten die hilfsbedürftigsten und wehrlosesten Patienten. Nach Kriegsende bereiste Mundy die Stadt Geel in Belgien. Dort befand sich damals eine berühmte Irrenkolonie mit 1.500 Patienten. Diese lebten in Freiheit und wurden von den Einwohnern behandelt und gepflegt. Für Mundy war dies die würdigste Form der Behandlung. Er hielt ab 1860 Vorträge zu diesem Thema in verschiedenen europäischen Hauptstädten und erlangte internationale Bekanntheit als Vertreter der Reform des Irrenheilwesens und einer modernen Irren-Gesetzgebung.

 

Im preußisch-österreichischen Krieg 1866 war er als Regimentsarzt im Feldlazarett Nr. 38 in Pardubitz im Einsatz.  Nach der verlorenen Schlacht bei Königgrätz organisierte er die Evakuierung der Verwundeten und brachte sie von Böhmen nach Wien. Dort wurde er zum stellvertretenden Leiter des Militärkrankenhauses im Wiener Prater ernannt. Er hielt auch an der Universität Wien, im Wiener Allgemeinen Krankenhaus, der Josephs-Akademie und in der Akademie der Wissenschaften zahlreiche Vorträge zu den Themen Irrenheilkunde, gerichtliche Medizin, Gesundheitslehre und Militärsanität. 

 

Nach dem Vorbild des preußischen Sanitätsdienstes forcierte Jaromir auch in der k.k. Armee den Einsatz der Eisenbahn für den Transport von Verwundeten ins Hinterland. Da keinerlei spezielle Kranken- oder Sanitärwaggons zur Verfügung standen, nutzte man gewöhnliche Frachtwaggons. Ihr Boden war lediglich mit Stroh oder Heu bedeckt. Auf Mundys Initiative hin wurden in einigen dieser Waggons Balken für acht an Lederriemen hängende Bahren montiert. Das half die Schmerzen der Verwundeten und Kranken bedeutend zu lindern. Kurz nach dem Krieg wurde Jaromir durch den Kaiser zum Stabsarzt der Reserve befördert. 

 

Bei der Pariser Weltausstellung 1867 ließ Jaromir auf eigene Kosten ein Musterhaus für Geisteskranke errichten und demonstrierte die Praxis der freien Irrenbehandlung.  

 

Bei der 1. Rotkreuz-Konferenz in Paris nahm er als österreichischer Delegierter des Kriegsministeriums teil. Dort setzte er sich für die Umsetzung von Dunants Vorschlägen und für eine Verbesserung der Fürsorge für Verwundete ein. Doch Jaromir betrachtete die neu gegründete Organisation als unzureichend. Er verfolgte eine andere Idee. Während des Krieges hatte er die Bekanntschaft mit den böhmischen Malteserrittern gemacht. Deren Aktivitäten brachte ihn auf den Gedanken, dass im militärischen Sanitätsdienst am besten Institutionen eingesetzt werden sollten, die ihre Tätigkeit sowohl dem Kampf als auch der Hilfe für Kranke und Verwundete geweiht hatten. Diese Auffassung verteidigte Mundy auch im Februar 1869 auf einem internationalen Kongress von Hilfsvereinen. In Österreich-Ungarn fand Jaromirs Idee ein großes Echo. Bis zum Jahr 1918 bildete diese Forderung die Grundlage für die karitative Tätigkeit des Deutschen Orden und der Malteserritter. 

Pferdekrankenwagen

Jaromir war auch technisch sehr begabt. Er konstruierte verschiedene Tragbahren, Ambulanzwägen und ganze Sanitätszüge. Gemeinsam mit Hugo Zipperling entwickelte er die Ausrüstung für die Sanitätszüge.

 

Nach dem Ausbruch des preußisch-französischen Krieges 1870 wurde er nach Paris gesandt, wo er als „neutraler Arzt“ drei Feldlazarette organisierte und dafür vier Chirurgen aus Wien bereitstellte. Für diese Tätigkeit erhielt er als erster Ausländer die französische, militärische Tapferkeitsmedaille. Er selbst arbeitete im Odeon-Theater im Jardin de Luxembourg. Gemeinsam mit der Schauspielerin Sarah Bernardt baute er eine Ambulanz und ein Spital auf. Aus dieser Zusammenarbeit wurde eine lebenslange Freundschaft. 

 

Jaromir beteiligte sich auch an der Organisation der Verwundetentransporte. Ihn interessierte nicht, für welche Seite die Verwundeten gekämpft hatten, er bemühte sich lediglich, deren Schmerzen zu lindern. 

 

1872 beendete er seinen Einsatz in Frankreich und nahm eine Professorenstelle an der Universität Wien an. Seine Vorlesungen beschäftigten sich mit dem Problem der Massenevakuierung Verwundeter. Weiters dozierte er über den Transfer von Personen aus Gebieten, die von Epidemien bzw. Naturkatastrophen betroffen sind. Dabei machte er nicht nur auf die medizinischen Probleme aufmerksam, sondern erörterte auch die notwendige Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Kleidung, sowie die Bereitstellung mobiler Küchen usw. Jaromir war allerdings frustriert über den mangelnden medizinischen Fortschritt in Wien. Seine jahrelangen Bemühungen und eingebrachten Vorschläge waren ohne Ergebnis geblieben. Er konzentrierte sich daher wieder auf Förderung der freiwilligen Hilfeleistung im Krieg.  

Pferdesanitätswagen

Jaromir wohnte in Wien zuerst in der Harmoniegasse 3, im 9. Bezirk und später am Stubenring 1, im 1. Bezirk. Ein großer Förderer Jaromir Mundys wurde Franz Graf Kolowrat-Krakowsky (1803–1874). Der Großprior der Malteserritter ernannte ihn zum Generalarzt der böhmischen Großpriorei. Dank dieses Titels war Jaromir in der Lage eigene Sanitätszüge herzustellen und zu betreiben. Für seine Pläne konnte Mundy außerdem den Wiener Chirurgen und Universitätsprofessor Theodor Billroth (1829–1894) und Leopold Wittelshöfer (1818–1889), den Herausgeber des Fachblatts „Wiener medizinische Wochenschrift“, gewinnen. Gemeinsam mit den beiden stellte Mundy auf der Weltausstellung 1873 einen von ihm konzipierten Muster-Sanitätszug aus. Gemeinsam mit Billroth organisierte er im Rahmen dieser Ausstellung auf eigene Kosteneinen „Internationalen Kongress für Verwundetenpflege im Krieg“.

 

Im Jahre 1875 brach in Herzegowina ein Aufstand aus, der ein Jahr später in einem Krieg mündete, der die gesamte Balkanhalbinsel beherrschte. Zuerst organisierte Jaromir Mundy den militärischen Gesundheitsdienst der Serben.  Im Ausland sammelte er Geld für ein Feldlazarett und einen Verbandsplatz, die er in Belgrad errichtete. Als 1877 Russland in den Krieg eintrat und sich der Schwerpunkt der Kämpfe nach Osten verlagerte, zog Jaromir Mundy mit seinen Mitarbeitern auf türkisches Gebiet. Hier organisierte und führte er mehrere Krankenhäuser mit Ambulanzen. Dabei arbeitete er eng mit dem internationalen Komitee des Roten Kreuzes zusammen. Das Echo dieser Aktion war derart gewaltig, dass 1878, am Ende des Krieges, der Rote Halbmond als Partnerorganisation des Roten Kreuzes entstand. Noch vor der Beendigung des Konfliktes, im Verlaufe der Okkupation Bosniens und Herzegowinas durch Österreich-Ungarn, wurden die Malteser Sanitätszüge erstmals auch zur Unterstützung der k. k. Armee eingesetzt. Über drei Monate waren sie ununterbrochen im Einsatz und sie transportierten annähernd 3.000 Verwundete und Kranke ins Hinterland.

 

Die mehrjährigen Aktivitäten auf den Schlachtfeldern hatten Jaromir sehr erschöpft. Er ließ sich deshalb in Wien nieder, wo er sich für Krankenhäuser und humanitäre Organisationen engagierte. 

 

Herz-Jesu-Dienerinnen in Wien

1871 lernte Jaromir Mundy in einer Pariser Ambulanz die Schwesterngemeinschaft der Herz-Jesu-Dienerinnen kennen. Daraufhin fasste er den Plan, sie nach Wien zu holen. Das Vorhaben wurde 1873 verwirklicht. Die Schwestern waren zunächst an der neu gegründeten „Rudolf-Stiftung“ tätig. Durch die steigende Anzahl der Schwestern wurde im Jahr 1890 der Bau des heutigen Mutterhauses in der Keinergasse im 3. Bezirk notwendig. 1906 wurde die Herz-Jesu-Kirche eingeweiht und 1931 folgte die Eröffnung eines Schulgebäudes, eines Kindergartens und eines Horts.  

Die „Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft“

Ab 1875 setzte sich Jaromir Mundy unermüdlich für eine Reform des Sanitätswesens, sowie für die Gründung einer Erste-Hilfe Organisation ein. Leider ohne Erfolg. Der Brand des Wiener Ringtheaters am 8. Dezember 1881 mit seinen zahlreichen Todesopfern brachte eine entscheidende Wende. Offiziell kamen damals 384 Personen ums Leben. Die Zahl der Toten dürfte aber wesentlich höher gewesen sein. Die Ursache für diese Brandkatastrophe lag nicht allein in den völlig unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen, sondern auch im Fehlen eines schnellen Rettungsdienstes, der sich um die Verletzten hätte kümmern können. Jaromir Mundy war von diesem Ereignis tief erschüttert. Nur einen Tag nach dem Feuer bereitete er, mit der Unterstützung seines Freundes Hans Graf Wilczek (1837–1922), des Grafen Eduard Lamezan-Salins (1835–1903) und des Chirurgen Theodor Billroth, die Gründung der „Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft“ vor. Während Jaromir Mundy die Statuten ausarbeitete, trugen die Grafen Wilczek und Lamezan-Salins dem Kaiser die Pläne für das Vorhaben vor und erhielten von ihm auch vollste Unterstützung. Der Kaiser sicherte eine Beschleunigung der amtlichen Erlässe zu und beteiligte sich

mit Zuwendungen in Form von Geldmitteln und Pferden aus den k.k. Hofstallungen.  

Wappen der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft

Kurze Zeit später bescheinigte die niederösterreichische k.k. Statthalterei die Statuten und die neu geschaffene Rettung nahm offiziell ihren Betrieb auf. Am 31. Januar begann die Firma Löhner nach Mundys Plänen von Pferden gezogene Ambulanzwagen herzustellen. Graf Wilczek, von dem das Gründungskapital stammte, stellte sein Palais in der Wiener Herrengasse zur Verfügung. Dort wurde vorerst die Zentrale der Rettungsgesellschaft eingerichtet. Der erste Transport eines Kranken erfolgte am 24. April 1882. Die ersten Einsätze wurden jedoch von Lohnfuhrwerkern übernommen. Es handelte sich daher um reine Transporte und keinen Rettungsdienst. Da sich die transportierten Personen allerdings häufig in Lebensgefahr befanden, begann Jaromir Mundy ein Jahr später eigenes Personal für den Rettungsdienst zu schulen.  

Pferdekrankenwagen

Zur Mitgliederanwerbung hängten sie in der Stadt Plakate auf und in Wohnhäusern verteilten sie Formulare zur Beitrittserklärung. Die Zahl der Beitrittswilligen blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück. Die neuen Mitglieder des freiwilligen Sanitätsdienstes waren hauptsächlich Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren aus den Vororten Wiens, Angehörige verschiedener Ruderklubs und Turner des "Ersten Wiener Turnvereins". Zur ersten Versammlung im Mai 1882 erschienen von ca. 400 angemeldeten Mitgliedern lediglich 232. Bei einer weiteren Sitzung fand sich niemand, der bereit war, unter Tags Dienst zu tun. Lediglich ein Mann war bereit, seinen Sonntag zu opfern. In folge dieser Personalnot, rief die Rettungsgesellschaft Medizinstudenten dazu auf, sich am Dienst in den zukünftigen Rettungsstationen zu beteiligen. 

 

Am 1. Mai 1883 wurde die erste Sanitäts-Station am Fleischmarkt 1 eröffnet. Sie bestand aus nur zwei Räumen. In dieser Anfangsphase wechselten sich 97 Medizinstudenten und 36 Laien ununterbrochen in ihrem Dienst als Sanitäter ab. Mundy selbst arbeitete je nach Erfordernis als Arzt, Krankenträger oder Kutscher. Jaromir interessierte sich für das Tun und Treiben und für das Studium eines jeden Einzelnen. Wenn es ihm zu Ohren kam, dass jemand materielle Not litt, dann griff er diskret helfend ein. Vielen Studenten bezahlte er die Prüfungsgebühren, anderen wiederum beglich er die Schulden. Als Gegenleistung forderte er immer nur die  Erfüllung des freiwillig übernommenen Samariterdienstes. Da verstand er allerdings keinen Spaß und duldete keine Nachlässigkeit. Ließ sich dabei jemand etwas zu Schulden kommen, hatte derjenige nichts zu lachen. Der sonst so herzensgute Baron Mundy konnte in solchen Situationen eine vernichtende Strenge und eine überwältigende Grobheit entwickeln. 

Effektenlotterie für die Wiener freiwillige Rettungsgesellschaft

Die Anfänge der Rettungsgesellschaft waren keineswegs einfach. Es fehlte vor allem an Geld. Die notwendigen Finanzen trieb Mundy durch Spenden, Sammlungen und Benefizveranstaltungen ein. Neben Aristokraten und Industriellen unterstützten auch zahlreiche führende Intellektuelle und Künstler die Organisation. Der berühmte Schauspieler und Sänger Alexander Girardi (1850–1918) konzertierte z.B. zu Gunsten der Organisation in der Rotunde im Prater. Johann Strauß Sohn (1825–1899) komponierte für die Rettungsgesellschaft den Marsch „Freiwillige vor“ der auch auf dem ersten Ball der Gesellschaft am 30. Januar 1887 gespielt wurde.

Gebäude der Wiener Berufsrettung

1890 wurde der erste Katastrophenzug gebildet. Er bestand aus sechs bespannten Ambulanzwagen mit sechs Ärzten und zehn Sanitätern. Von 1882 bis 1890 leistete die Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft in über 40.000 Notfällen Erste Hilfe. Über 20.000 Krankentransporte wurden in diesem Zeitraum durchgeführt.

 

Schließlich konnte ein eigenes Haus bei der Aspernbrücke gebaut werden. Jaromir Mundy blieb bis zum 5. März 1892 Geschäftsführer der „Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft“. Aus dieser Gesellschaft entwickelte sich im Laufe der Jahre die „Wiener Rettung“, die auch heute noch einen wichtigen und wesentlichen Beitrag bei Notfällen leistet.  

 

Privates, Tod und letzte Ruhestätte

Jaromir Mundy blieb zeit seines Lebens ledig. Jahrelang lebte er im „Hotel Central“ in der Wiener Taborstraße mit Familienanschluss bei Karl Sacher. Zu Beginn der 1890er Jahre verschlechterte sich zusehends sein Gesundheitszustand. Eine zyklisch wiederkehrende bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung) machte sich im Alter immer stärker bemerkbar. An dieser psychischen Disposition hatte auch seine Mutter gelitten. Außerdem hatte Jaromir schweres Asthma und eine Unterleibserkrankung. Durch seine Leiden war er gezwungen die meisten seiner Funktionen nach und nach aufzugeben. Damit verlor er aber auch den Hauptinhalt seines Lebens. Seine Depressionen verstärkten sich dadurch immer mehr.  Oft lief er ganze Nächte durch die Wiener Gassen, um nicht allein zu Hause bleiben zu müssen.

  

Am 6. Februar 1894 verstarb Mundys langjähriger Freund und Wegbegleiter, Theodor Billroth. Dieser Verlust setzte Jaromir sehr zu.  Noch im selben Jahr, am Donnerstag, den 23. August 1894, setzte Jaromir Mundy in einer depressiven Phase seinem Leben ein Ende.  

 

Nach einem Kuraufenthalt schien sich sein Zustand wesentlich gebessert zu haben. Danach verbrachte er einige Monate in der Wasserheilanstalt in Baden/Wien. Er wohnte während dieser Zeit bei Karl Sacher.

Sophienbrücke

Den Sonntag verbrachte er in Gesellschaft mehrerer Künstler und Ärzte. Er war gut gelaunt und unterhielt die Runde mit seinem Humor. Den darauffolgenden Abend verbrachte er im Kreis der Familie Sacher. Nachdem er sich um ca. 22 Uhr in sein Zimmer zurückgezogen hatte, verließ er kurz darauf nochmals das Haus. Als er längere Zeit nicht zurückkehrte, machte sich Karl Sacher Sorgen und sendete Leute aus, um Baron Mundy zu suchen. Erst um 2 Uhr morgens fand man ihn auf dem Reitweg vor der Villa des Erzherzog Wilhelm. Am Donnerstag verließ Jaromir um etwa 9 Uhr das Haus. Frau Sacher teilte er mit, dass er nach Wien fahren wolle und erst spät am Abend zurückkehren werde. Sie aber war durch seine ungewöhnliche Unruhe besorgt. Sie begab sich in sein Zimmer und stellte mit Entsetzen fest, dass sein Revolver und seine Pistole nicht an ihren Plätzen waren. Daraufhin verständigte sie die Rettungsgesellschaft in Wien. Während diese eine Suchaktion einleitete, hatte sich Jaromir Mundy an der Uferböschung des Donaukanals unterhalb der damaligen Sophienbrücke (heutige Rotundenbrücke) bereits mit seiner Pistole erschossen.   

Todesanzeige Jaromir von Mundy im Wr. Salonblatt

Seinen Freunden hatte er des Öfteren angekündigt, dass er seinem Leben ein Ende setzen würde, sobald seine Leiden unerträglich würden. Aber gerade in letzter Zeit hatte niemand damit gerechnet.

 

Der Leichnam Mundys wurde von der Leopoldstädter Leichenkammer in den Bibliothekssaal der Wiener Rettungsgesellschaft gebracht und dort aufgebahrt. Am 25. August fand die Verabschiedung statt. Baron Heinrich von Mundy, setzte das Ereignis derart zu, dass er am Begräbnis seines Bruders nicht teilnehmen konnte. Der Tote wurde in einem Glasgalawagen der Concordia zur Dominikanerkirche gebracht. Voran ritt ein Standartenträger mit schwarzumflortem Lorbeerkranz.  Ihm folgten zwei Laternenreiter, drei Kranzwägen und dann Abordnungen der freiwilligen Feuerwehren und der Ambulanzwagen der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft mit schwarzangeschirrten Pferden.  Die Pferde des 8-spännigen Leichenwagens waren mit schwarzen Straußenfedern geschmückt. Diener der „Concordia" mit den Initialen und dem Wappen des Verblichenen, sowie mit Windlichtern, umgaben in prunkvoller altspanischer Tracht den Wagen. Den Sarg schmückten die Kränze der Familie, der Stadt Wien und der Rettungsgesellschaft. Eskortiert wurde der Conduct von Ärzten, die Fackeln trugen. Die Straßenzüge waren beleuchtet und mit schwarzen Fahnen beflaggt.

Ehrengrab von Baron Jaromir von Mundy am Wr. Zentralfriedhof

Mehr als 10.000 Menschen säumten die Straße, um von Baron Mundy Abschied zu nehmen. Da Mundy aufgrund seines Selbstmordes ein kirchliches Begräbnis verwehrt blieb, wurde nur eine Segnung durchgeführt. Das Ganze dauerte nur wenige Minuten und musste ganz im Stillen, ohne Orgelspiel, Gesang und Glockenläuten stattfinden. Anschließend bewegte sich der Trauerzug bis zum Schwarzenbergplatz. Dort bestiegen die Trauergäste ihre Wagen und fuhren zum Zentralfriedhof. Der letzte Weg Mundys führte vorbei am Monument für die Opfer des Ringtheaterbrandes bis zu seinem Grab. Dort wurde er nochmals eingesegnet und nach mehreren Trauerreden schließlich zur ewigen Ruhe gebettet. 

 

Sein Ehrengrab befindet sich in der Gruppe 0, Reihe 1, Nummer 16. Das ist direkt bei Tor 2, gleich links, direkt an der Friedhofsmauer.

 

Der Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant, nannte Jaromir Mundy später einmal einen „Mann mit einem goldenen Herzen“ und Theodor Billroth bezeichnete Mundy als „einen der größten praktischen Humanisten unseres Jahrhunderts“.

 

Ehrungen und Auszeichnungen 

Jaromir Mundy erhielt unzählige Orden und Auszeichnungen. Darunter war z.B. das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens, welches ihm Kaiser Franz Joseph für die Repräsentation Österreich-Ungarns verlieh. 1870 wurde Mundy in den Orden der Malteserritter aufgenommen. Auch in anderen Ländern ehrte man ihn. So wurde er etwa vom französischen Präsidenten und vom deutschen Kaiser Wilhelm I. ausgezeichnet. 

Büste von Jaromir von Mundy am Gebäude der Wr. Berufsrettung

Jaromir hat seine Orden aber nie getragen. Obwohl er aus einer adeligen Familie stammte und mit zahlreichen aristokratischen Dynastien verwandt war, benutzte er auch fast nie seinen Titel. Er unterzeichnete lediglich mit Jaromir Mundy bzw. Dr. Mundy. Seine Kollegen von der Wiener Rettungsgesellschaft nannten ihn liebevoll „Onkel Jaromir.“

 

1932 wurde die "Mundygasse" in Wien-Favoriten nach ihm benannt. Am Gebäude der Zentrale der Berufsrettung Wien, in der Radetzkystraße im 3. Wiener Gemeindebezirk erinnert eine Büste an sein Lebenswerk. Sie wurde von der Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries gestaltet.  

 

Die Mundys starben aus 

Das Ableben von Baron Jaromir von Mundy bedeutete auch das Ende der Dynastie der Freiherren von Mundy. Weder Jaromir noch einer seiner Brüder hatten Nachkommen. Damit starb das Geschlecht bereits in der dritten Generation aus. Als letzter starb der älteste Bruder Bohuslav (1816–1896), der als einziger geheiratet hatte. 1875 hatte er Theresia Geringer, die Tochter eines Budweiser Hoteliers, geehelicht. Bohuslav machte sich als Kunstmäzen einen Namen.  Die Familie lebte bis zu Bohuslavs Tod in Budweis. 


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Kommentare: 1
  • #1

    Gerald E. (Samstag, 26 März 2022 13:55)

    Toll recherchiert!