Schöpfer des Fiakerliedes
Privates
Gustav Pick kam am 10. Dezember 1832 als Sohn des jüdischen Kaufmanns Sigmund Pick (1810-1884) und Charlotte Schey (1814 – 1884) im Ghetto von Rechnitz zur Welt. Rechnitz gehörte damals zu Ungarn und hieß Rohonc.
Gustav Pick war mit Arthur
Schnitzler verwandt. Die Großmutter Schnitzlers mütterlicherseits – Amalie Schey (1815-1884) – war die Schwester von Gustavs Großvater mütterlicherseits –
Jozsef Schey (†1848). Einer von Gustavs Onkeln war Friedrich Schey Freiherr Koromla (1815-1881). Er war der Bruder von Gustavs Mutter, ein Bankier und in den Jahren
1860 bis 1870 einer der einflussreichsten Personen in der österreichischen Wirtschaft.
1845 zog Gustav nach Wien und arbeitete als Kaufmann (andere Quellen berichten, dass er Bankbeamter war). Bald nahm er eine glänzende Rolle in der Wiener Gesellschaft ein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Gustav noch keine musikalische Ausbildung genossen. Erst jetzt nahm er nebenbei Klavierunterricht. Es dauerte nicht lange bis er seine ersten Kompositionen verfasste. In Wiener Wirtshäusern trat er als Klavierspieler auf. Später spielte er auch ausgezeichnet Harmonium, Harmonika und Posthorn. Allerdings konnte Gustav zeitlebens keine Noten lesen oder schreiben. Seine von ihm komponierten Wienerlieder, wie z.B. „der Wasserer“, erreichten keinen besonders hohen Bekanntheitsgrad. Im Oktober 1862 heiratete Gustav die Wienerin Friederike Brandeis-Weikersheim. Mit ihr hatte er 2 Söhne. Die Familie wohnte in n der Himmelpfortgasse 5 im 1. Bezirk.
Friederike starb bereits am 16. Februar 1869 im Alter von 23 Jahren an einem Hirnabszess bzw. einer Gehirnentzündung. Beerdigt wurde sie am israelitischen Friedhof in Währing (Gruppe 18/10).
Ihr Sohn Alfred Pick (1864-1937) schlug die Militärkarriere ein und
war zuletzt Oberlandesgerichtsrat. Außerdem war er ein Viennensia-Sammler. Er beschäftigte sich demnach mit Literatur zu und über Wien ebenso wie mit Literatur von Wiener
Autoren. Er häufte dazu einiges an, was sein umfangreicher Nachlass bezeugte.
Der zweite Sohn, Rudolf Pick (1865 - 1915) wurde Maler und Karikaturist. Er war ein Schüler des Wiener Malers Eduard Gerisch. Weiters lernte er beim ungarischen Künstler und Illustrator Imre Revesz. Rudolfs Werke beschäftigten sich hauptsächlich mit den Themen Sport, Racing und Jagd. Er war auch als Designer von Plakaten und Anzeigen tätig.
Im Jänner 1884 starben die Eltern von Gustav Pick innerhalb eines Monats in Güns. Am 16. Jänner erlag Charlotte Pick ihrem Gehirntumor und am 15. Feber starb Sigmund Pick an Altersschwäche. Die Toten wurden nach Wien überführt und am israelitischen Teil des Zentralfriedhofs Gruppe 8/60/105 bei Tor 1 beerdigt.
Gustav Pick war mit Johann Nestroy und Graf Hans Josef Wilczek befreundet. Letzterer war u.a. der Präsident der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft.
Gustav Pick soll eine durchaus adelige Ausstrahlung gehabt haben. Als er eines Tages von Graf Wilczek auf dessen Gut in Seebarn eingeladen wurde, reiste Gustav mit der Eisenbahn an. Wilczeks Jagdmeister holte ihn mit der Pferdekutsche vom Bahnhof ab. Er begrüßte den Gast mit den Worten: „Sind Euer Durchlaucht gut gereist?“ Darauf Pick: „Ich bin keine Durchlaucht.“ „Verzeihen, Euer Erlaucht!“ Pick: „Ich bin keine Durchlaucht, ich bin keine Erlaucht, kein Fürst, kein Graf! Ich bin ein Jud!“ Darauf der Jagdmeister: „Oh, entschuldigen Sie, Herr Baron.“
Gustav Pick wird berühmt
Anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Fiakerzunft organisierte die Fürstin Pauline von Metternich im Mai 1885 eine Wohltätigkeitsveranstaltung der Freiwilligen Rettungsgesellschaft. Die Fiaker feierten 100 Jahre Genehmigung ihrer öffentlichen Standplätze. Bis 1785 mussten die Fiaker ihre Pferde im Stall lassen und dort auf Kundschaft warten. Graf Wilczek bat Gustav Pick für dieses Ereignis ein entsprechendes Lied zu komponieren. So entstand das weltberühmte „Fiakerlied“. Die Generalprobe fand in seiner Wohnung vor den Fiakern Hirschmann und Bratfisch, dem Leibfiaker des Kronprinzen Rudolf, statt. Vorgetragen wurde das Lied beim Fest in der Rotunde von Alexander Girardi. Dieser trug die traditionelle Fiakerkleidung und fuhr im offenen Zweispänner vor. Er stieg aus der Kutsch und sang vor
tausenden Gästen das Lied. Die anwesenden Fiaker waren sofort hellauf begeistert. Das Lied wurde zum musikalischen Denkmal des besungenen Berufsstandes und Gustav Pick war über Nacht berühmt.
Auf dem Erstdruck des Titelbildes des Fiakerliedes schien Gustav Pick nicht auf. Erst bei den späteren Nachdrucken wurde auch sein Name aufgenommen (s.o.)
Bald entdeckten „Die Schrammeln“ das urwienerische Lied für sich und formten es durch ihre Interpretation zur Wiener
Hymne. Das Fiakerlied wurde später durch Paul
Hörbiger im gleichnamigen Film in Berlin populär. Es gibt eine englische („I have two little horses, the Graben is my stand“), eine tschechische und eine türkische Version. Während
der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Aufführung infolge Picks jüdischer Herkunft verboten. Das Fiakerlied wird übrigens auch im Hit "Es lebe der Zentralfriedhof" von Wolfgang Ambros erwähnt: "Es lebe der Zentralfriedhof, auf amoi machts an
Schnalzer, der Moser singt's Fiakerlied, die Schrammeln spieln an Walzer...."
Pick hat übrigens keinen Kreuzer an seinem Jahrhundertschlager verdient. Tantiemen kannte man damals noch nicht und das Geld vom Verkauf der Notenblätter überließ er der Rettungsgesellschaft. Auch für die Renovierung des Rechnitzer Klosters stiftete er einen Geldbetrag.
Tod und Ehrungen
Gustav Pick starb am 29. April 1921 im Alter von 88 Jahren in seiner Wohnung in der Frankenberggasse 11 im 4. Bezirk. Zu seinem Begräbnis am 2. Mai erschienen Hunderte Fiaker in pferdebespannten Kutschen, um ihm das letzte Geleit zu geben. Gustav Picks letzte Ruhestätte befindet sich in der Israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofes (Gruppe 8/60/105) nahe bei Tor 1. Das Grab wurde als Ehrengrab gewidmet.
Das Grabmal besteht aus mehreren Teilen: Die abgebrochenen Säulen symbolisieren den viel zu frühen Tod von zwei Menschen. Der Lorbeerkranz steht für die Erfolge. Auf der oberen Inschriftentafel ist der Name des Vaters von Gustav Pick nicht mehr sichtbar. Aber hier sind sowohl sein Vater wie auch seine Mutter beerdigt. Genauso wie die Söhne Rudolf und Alfred.
Sein nicht unbeträchtlicher Nachlass in Form von Gemälden alter und moderner Meister, Aquarellen, Zeichnungen, Antiquitäten und vielem
mehr wurde im Oktober 1921 im Auktionshaus Kende versteigert.
Im Jahr 1966 wurde im 19. Bezirk die Gustav-Pick-Gasse nach dem Komponisten benannt.
Arthur Schnitzler verwendete in seinem Roman „Der Weg ins Freie“ Gustav und Rudolf Pick als Vorlage für seine Figuren von Vater und Sohn
Eißler.
Bildquellen:
- Gustav Pick jung: Wiener Volksliedwerk
- Todesanzeige Friederike Pick: Geni
- Gustav Pick älter: Österreichisches Musiklexikon
- Deckbblatt Fiakerlied: Wiener Volksliedwerk
- Girardi im Fiaker: Pressreader
- Todesanzeige Gustav Pick: Geni
- Grabmal Pick: Karin Kiradi
- Fiakerlied: Volksmusik
- Rudolf Pick "der Eierdieb" - Dorotheum
- Rudolf Pick "afrikanische Jagdszene" - Artnet
- Rudolf Pick "Venedig" - Artnet
- Rudolf Pick "der berühmte Jockey George Small...." - Catawiki
Quellen:
- Wikipedia
- Geschichte Wiki-Wien
- Musik Austria
- Österreichisches Musiklexikon
- Genialogie
- Vienna Touristguide
- Österreichisches Biographisches Lexikon
- Wiener Zeitung vom 11.10.2014
- Kurier vom 22.09.2018
- Universitätsbibliothek Heidelberg
- Gedenkweg
- Wiener Volksliedwerk
- Wienbibliothek
- "Schlag nach bei Markus" von Georg Markus
- "Hunderttausend Steine" von Patricia Steines
Glatzer Andrea (Sonntag, 12 Juni 2022 12:32)
Liebe Karin Kiradi, gratuliere zu deinem Blog. Sehr übersichtlich und genau.
Eine Frage an dich: "Ist dir bekannt, in welcher Wiener Bank Gustav Pick gearbeitet hat?" Erste Bank???
Liebe Grüße Andrea Glatzer
Gabi Steindl (Montag, 25 Oktober 2021 11:24)
Ich finde es super dass du auch immer die Schnittpunkte zu anderen Beiträgen anführst.
Übrigens: das Theaterstück dauert 2Std 50min. Puh!
Herbert Resetarits (Freitag, 22 Oktober 2021 11:23)
Hab wieder etwas neues gelernt. Das mit Rechnitz wusste ich nicht, leider kann ich es meiner in Rechnitz geborenen Mutter nicht mehr erzählen, bzw. Sie fragen ob Sie es wusste da Sie vor 2 Jahren verstorben ist. Freu mich schon auf die nächsten interessanten Berichte.
Mit lieben Gruß Herbert Resetarits
Kerstin (Donnerstag, 21 Oktober 2021 22:59)
Liebe Karin, wieder einmal ein toll geschriebener, sehr interessanter Beitrag!
Ingrid (Donnerstag, 21 Oktober 2021 19:57)
Ich muss mal direkt meinen exkollegen fragen ob das seine Urahnen sind�wieder ein Super Artikel vielen Dank!