"Tot ist nur, wer vergessen ist" (Immanuel Kant)
Der Wiener Zentralfriedhof ist wohl jedem Wiener und jeder Wienerin ein Begriff. Aber die meisten wissen nichts bis wenig über die Geschichte dieses Friedhofs. Auch Du gehörst du dieser Gruppe? Das kannst Du jetzt hier ändern. Ich erzähle dir gerne einiges Wissenswerte über die Entstehung dieses Ortes. Ich selbst war unzählige Male am Friedhof, bis ich begann, mich für die Geschichte dieses Ortes und auch für seine "Bewohner" zu interessieren. Immer tiefer zog mich die Materie in ihren Bann. Heute bin ich ein großer Fan des Friedhofs und versuche meine Begeisterung auch an andere weiterzugeben.
Herkunftsfamilie und Jugend
Rubin Goldmark (1798-1868) stammte aus einer jüdischen Familie in Polen. Er heiratete seine Stiefschwester Edelise Mendelsburg. Damit machte er seine Stiefmutter gleichzeitig auch zu seiner Schwiegermutter. Edelise war die Enkelin von Joseph Mendelsburg, einem der reichsten und angesehensten Männer in der Provinz Warschau. Edelise soll eine außerordentlich hübsche junge Frau gewesen sein. Bald stellte sich Nachwuchs ein. Ihr Sohn erblickte am 15. August 1819 in Krzyz (Polen) das Licht der Welt und erhielt nach seinem Urgroßvater den Namen Joseph Jakob. Das Familienglück währte aber nicht lange. Edelise erkrankte schwer und starb am 14.12.1822. Die Trauer um den Verlust seiner Frau stürzte Rubin Goldmark in eine tiefe Depression. Zuerst war er wie gelähmt. Dann versuchte er dem Leid zu entfliehen, indem er seine Heimat, seine Eltern und seinen kleinen Sohn verließ. Joseph Jakob wuchs ab da bei seinen Großeltern auf.
Rubin Goldmark suchte sein Glück dann in Ungarn. Zuerst ließ er sich in Pápa nieder. Dort lernte er Marie Krausz (1809-1877) kennen. Bald nach ihrer Heirat zog das Paar nach Kesztely am Plattensee, wo Rubin Goldmark Kantor und Notär der jüdischen Gemeinde wurde. Keszthely war damals eine vornehme Sommerdestination für die bessere Gesellschaft. 1827 kam Tochter Johanna Juliana zur Welt, 1828 Tochter Rebeka und am 18. Mai 1830 erblickte Sohn Karl (Károly) (1830-1915) das Licht der Welt. Nun holte Rubin Goldmark auch seinen Erstgeborenen, Joseph Jakob, aus Polen zu sich nach Keszthely. Die Kinder aus der zweiten Ehe hatten also plötzlich einen älteren Bruder. Rubin Goldmark investierte die Mitgift, die seine erste Frau in die Ehe mitgebracht hatte, in die Ausbildung seines Sohnes Joseph. Er durfte von 1831-1837 das königliche Gymnasium in Keszthely besuchen. Anschließend sollte er an der Universität Wien Medizin studieren.
Die Familie wuchs rasch weiter. 1831 kam Sohn Hermann, 1833 Tochter Cyli und 1834 Sohn Aron dazu. Die Familie übersiedelte inzwischen nach Táb und ließ Joseph in Keszthely zurück. In ihrem neuen Domizil blieben sie ungefähr ein Jahr. 1834 verlegten die Goldmarks ihren Wohnsitz nach Németkeresztur (heutiges Deutschkreutz im Bgld.) Dort kamen noch viele weitere Kinder zur Welt. Wieviele es tatsächlich waren, lässt sich heute nicht mehr ganz sicher sagen. Karl Goldmark selbst wusste nicht genau wie viele Geschwister er hatte. In seiner Biographie erinnert er sich, dass es 12 lebende Kinder waren. Mit den bereits verstorbenen sollen es 21 oder 24 gewesen sein.
Ich konnte Daten einiger Goldmark-Kinder herausfinden, wobei die Geburtsdaten in den verschiedenen Quellen auseinandergehen:
Gewohnt hat die Familie im Ghetto von Deutschkreutz. Der Ort stand zwar unter dem katholischen Einfluss des Adels, aber hier trafen unterschiedliche Kulturen aufeinander. Obwohl die Siedlung in Ungarn lag, war ein Großteil der Bevölkerung deutschsprachig. Die jüdische Gemeinde trug den Namen „Zelem“. Rubin Goldmark konnte mit seinem Gehalt von 200 Gulden jährlich seiner Familie keinen großen Luxus bieten. Sie lebten in ärmlichen Verhältnissen. Die älteren Geschwister kümmerten sich um die jüngeren. Laut Karl Goldmark soll es im ungarischen Deutschkreutz für die deutsche Bevölkerung keine Schule gegeben haben. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass der damalige konservative Rabbiner von Deutschkreutz der christlich geprägten Schulbildung kritisch gegenüberstand. Entweder schickte man die Kinder nicht zum Unterricht oder sie schwänzten meist die Schule. Sie spielten lieber sorglos auf Wiesen, Feldern und in Wäldern und machten, wonach ihnen gerade zumute war. Karl Goldmark war auch noch viele Jahre später der ungarischen Sprache nicht mächtig. Lesen und Schreiben lernte er erst mit 12 Jahren. Als Lehrer fungierte sein späterer Schwager Moritz Friedmann. Kunst in Form von Musik, Bildern, Theater oder Büchern existierte in der Welt der Goldmarks nicht.